Nürnberger Fayencen im Germanischen Nationalmuseum

Historische Voraussetzungen

„Il a dû exister à Nuremberg un assez grand nombre d’usines, si l’on en juge d’après la variété des noms inscrits sous les pièces.“ Mit diesen Worten umschrieb 1873 der große Sammler Albert Jacquemart (1808-1875) in seiner „Histoire de la Céramique“ Art und Umfang der Nürnberger Fayencemanufaktur. Jacquemart ging damals noch davon aus, dass angesichts der großen Zahl erhaltener bezeichneter Arbeiten wohl mehrere Fabriken in der ehemaligen Reichsstadt existiert haben müssen.

Die aus heutiger Sicht aus der Mode gekommene Fayencekunst hatte ihre Blütezeit im Barock. Als die ersten Importe chinesischen Porzellans auf das europäische Festland gelangten, stießen die weiß glasierten und blau bemalten Geschirre bei den Europäern auf sehr großes Interesse. Insbesondere durch die Ostindische Handelsgesellschaft kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts große Mengen an Porzellan nach Europa. Holländische Seefahrer beherrschten mehrere Jahrzehnte den Geschirrhandel.

Delft

Als der asiatische Import 1644 ins Stocken geriet, begannen Delfter Keramiker mit der „Imitation“ des Porzellans, indem sie eigene Manufakturen errichteten und eine Irdenware herstellten und mit einer Bleiglasur versahen, die nach heutigem Kenntnisstand ca. 4 % Zinnoxid enthielt. Dieser geringe Anteil genügte, um die Glasur weiß zu trüben und den Geschirren nach dem Brand ein porzellanähnliches Aussehen zu geben. Kobaltoxid verwendete man für die blaue Bemalung. Bemerkenswerterweise wurden die hergestellten Fayencen bis weit in das 18. Jahrhundert hinein in den Quellen stets als „Porcelain“ bezeichnet.
Rasch etablierten sich Manufakturen, die die chinesische Ware einschließlich ihrer ungewöhnlichen Motive nachahmten. Die Herstellung beschränkte sich allmählich nicht mehr nur auf Holland allein. Vielmehr wanderten Fayenciers von Holland aus in andere europäische Länder und versuchten, in Reichsstädten oder Fürstentümern, Fayencemanufakturen zu errichten. Den Obrigkeiten und Landesherren versprachen sie gute Gewinne beim Verkauf der Ware bzw. Ansehen und Ruhm, wenn die von ihnen protegierten Unternehmen herausragende Erzeugnisse hervorbringen würden.

Die Nürnberger Fayencemanufaktur

Im Mai 1712 reichten drei Zinngießermeister und Händler beim Rat der Stadt Nürnberg ein Gesuch ein, in dem sie um Errichtung einer „Porcelainfabrique“ baten. Heinrich Gottfried Anton Hammon, Johann Conrad Romedi und Christoph Marx lag nicht nur an der Produktion von Fayencen, sondern durch ihre erlernten Berufe (Goldschmied bzw. Zinngießer) erhofften sie sich zusätzliche Verdienstmöglichkeiten, wenn etwa die erzeugten Walzen-, Birnkrüge und Enghalskannen mit Silber- und Zinnmontierungen beschlagen würden. Dementsprechend groß war auch die Produktion solcher Gefäße in Nürnberg, die im Vergleich zu anderen Fayencemanufakturen im Reich über die Hälfte des Gesamtvolumens ausmachte.

Dekore/Bemalungen

Angeregt durch die 1710 im benachbarten Markgrafentum Brandenburg-Ansbach gegründete Fabrik und den dort tätigen, dann in die Reichsstadt gezogenen Maler Johann Kaspar Ripp orientierte sich die Manufaktur hinsichtlich ihres Dekorspektrums zunächst stark an Delfter und Frankfurter Vorbildern. Während des ersten Jahrzehnts ihrer Tätigkeit beschränkte sich die Manufaktur – wohl auch aus Kostengründen - auf Blaubemalungen. Erst allmählich erweiterte sich die Farbpalette, und die Maler arbeiteten auch in Scharffeuerfarben bzw. partieller Muffelbemalung. Allerdings blieb die Blaumalerei in der Nürnberger Fabrik bis zum Ende ihrer Blütezeit um 1780 vorrangig.
Auch die Dekore änderten sich im Laufe der Produktionsjahre. Die Gefäßbemalungen nach chinesischen Motiven der ersten Jahre wandelten sich rasch, zugunsten der Arbeit nach graphischen Vorlagen. Bibelillustrationen, Kupferstiche und Genremalereien bildeten in großem Umfang die Vorbilder der Fayencemotive. Die vielen in der Reichsstadt beheimateten Verlage und Druckereien lieferten hierfür die Grundlage.

Maler

Vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten – bis 1730 - waren in der Nürnberger Fabrik, die in der Kartäusergasse unter anderem auf dem Gelände des Museumsneubaues von 1993 angesiedelt war, hervorragende Maler tätig, wie anhand bezeichneter Objekte ermittelt werden konnte. Die spezifische Untersuchung ihrer Arbeiten bildet die Grundlage des Forschungsprojekts.

Forschungslage

Trotz der großen Zahl erhaltener Fayencen aus den einst fast 80 im Reich tätigen Manufakturen gehört die Fayenceforschung in Deutschland noch immer zu den wenig bearbeiteten Feldern. Ein Grund dafür ist, dass der Großteil des erhaltenen Bestandes an Fayencen sehr häufig keinerlei Marken oder Datierungen aufweist und so Lokalisierungen und zeitliche Einordnungen sehr schwierig sind. Die häufige Wanderung der Fayenciers innerhalb der deutschen Manufakturen erschwert zudem eine klare Trennung und Zuordnung ihrer Werke zu den einzelnen Betrieben. 
Zudem fehlen häufig auch brauchbare archivalische Quellen. Durch Auswertung der in den Nürnberger Archiven (Staatsarchiv, Stadtarchiv und Landeskirchliches Archiv) erhaltenen Quellen sowie die systematische Erfassung der in europäischen Museen erhaltenen Bestände an Nürnberger Fayencen werden wichtige Grundlagen zur Erforschung der Nürnberger Fayence gelegt. Der Bestandskatalog wird mit einem Umfang von ca. 470 Objekten die große Sammlung des Germanischen Nationalmuseums erstmals umfassend vorstellen.


Erscheinungstermin des Katalogs: Ende 2014

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Projektleiterin

Dr. Silvia Glaser