Der frühe Dürer

HISTORIOGRAFISCHE MODELLE FÜR EIN ERWEITERTES VERSTÄNDNIS VON ALBRECHT DÜRERS FRÜHWERK

Projektlaufzeit: 2009 bis 2011
Förderung:  Bund-Länder-Initiative „Pakt für Forschung und Innovation“ im Rahmen eines wettbewerblichen Verfahrens unter 86 Forschungseinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft


Unter dem Projekttitel „Der frühe Dürer. Historiografische Modelle für ein erweitertes Verständnis von Albrecht Dürers Frühwerk“ werden kontroverse Interpretationsmodelle für das Phänomen Dürer auf den Prüfstand gestellt. Wieso kam es gerade um 1480/1500 zu Dürers epochalen Neuerungen und worin bestanden diese?
Als Resümee eines dreijährigen Forschungsprojekts beleuchten die Ausstellung „Der frühe Dürer“ im Jahre 2012 und begleitende Publikation die Voraussetzungen von Dürers Schaffen und stellen es in den Kontext der künstlerischen, intellektuellen und ökonomischen Entwicklungen des späten 15. Jahrhunderts.


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Ausstellung "Der frühe Dürer" 

Warum „Modelle“?

Der Modellbegriff im Projekttitel macht deutlich, dass auch gegensätzliche Forschungspositionen samt ihren konkurrierenden methodischen Prämissen gezielt thematisiert werden sollen. Kein anderer Künstler des deutschen Sprachraums hat vielfältigere Charakterisierungen zwischen Humanist und Medienrevolutionär, zwischen früher nationaler Vereinnahmung und dem Ideal befreiter, europäischer Künstlerindividualität erfahren. Entsprechend vielfältig sind die bisherigen Erklärungsmodelle für das Zustandekommen von Dürers Kunst in Nürnberg um 1500. Sie bedürfen der Inventur und Ergänzung, wobei das Vorhaben einen Schwerpunkt auf folgende Frage legt: Welche personellen und spezifisch Nürnberger Konstellationen führten um 1480/1500 zu Dürers oft zu eng kunsthistorisch beschriebener Neupositionierung als „moderner“ Künstler? Konsequenter als bisher soll Dürer aus seinem Umfeld heraus verstanden werden, sowohl in künstlerischer wie auch in gesellschaftlicher Hinsicht.

Kennerschaft und Werkermittlung. Biografik als Chance oder Falle?

Welche Werke können überhaupt – und mit welchem Sicherheitsgrad – als Dürers „Frühwerk“ ermittelt werden? Bereits seit dem frühen 17. Jahrhundert haben Dürers Bewunderer, Sammler und Chronisten Werkverzeichnisse seiner Grafiken und Gemälde erstellt. Die kunstgeschichtliche Forschung setzt dies bis in die Gegenwart fort. Argumentative Dichte und normativer Anspruch solcher Werkverzeichnisse schwanken, dementsprechend schwankt ihre Akzeptanz. Während die etwa 100 druckgrafischen Einzelblätter des jungen Dürer kaum kennerschaftliche Kontroversen auslösen, stellt sich für die Mehrzahl der etwa 30 Gemälde und 300 Handzeichnungen des Frühwerks nach wie vor die Frage der Authentizität. Vor allem bei einer Reihe umstrittener Zeichnungen müssen unter offener Abwägung sämtlicher Argumente die Grenzen kennerschaftlicher Methodik deutlicher als bisher aufgezeigt werden. Oft wurden Einzelwerke mit biografischen Ereignissen in Dürers Leben in Verbindung gebracht, ja zur wechselseitigen Erklärung von Werk und Biografie instrumentalisiert. Welche Möglichkeiten und Gefahren bergen solche argumentativen Zirkelschlüsse zwischen biografischem Ereignis und zu sicherndem Werk?

Fünf Fokus-Themen

Als paradigmatische Leistungsfelder des „frühen Dürer“ gelten seine angebliche Reisefreude, seine einzigartigen Selbstbildnisse, sein autonomes Zeichnen, die druckgrafischen Pioniertaten und sein intellektuelles Ringen um universales Weltverständnis. Fünf Arbeitspakete wurden definiert, um die Tragfähigkeit dieser Paradigmen zu prüfen:

  • Dürers frühe Reisen. Künstlermobilität zwischen Bildungsideal und ökonomischem Zwang.
  • Dürers Selbstbildnisse. Selbstdarstellungsgründe und Selbstdarstellungspraxis um 1500.
  • Dürers frühe Drucke. Ästhetisierung eines jungen Massenmediums?
  • Dürers exzessives Zeichnen. Beginn einer autonomen Kunstgattung?
  • Der Humanist Dürer. Klischee kunstliterarischen Heldenlobes oder Urbild modernen Künstlertums?

Kunsttechnologie und Projekt-Kommunikation

Weiterer Bestandteil des Leibniz-Vorhabens sind ausgewählte kunsttechnologische Neuuntersuchungen brisanter Einzelwerke. Zusätzlich zu den heute in internationalen Sammlungen weit verstreuten Dürer-Werken wird das Institut für Kunsttechnik und Konservierung des GNM in einer ersten Phase das extern vorhandene, technologische Untersuchungsmaterial zusammen führen. Auf dieser Materialbasis aufbauend wird der weitere Untersuchungsbedarf bestimmt und in Kooperation mit den externen Dürersammlungen durchgeführt. Hierzu steht eine 2006 in der Londoner National Gallery entwickelte Infrarot-Kamera mit besonders breitem Aufnahmefeld zu Verfügung. Sie bietet Untersuchungsmöglichkeiten nach neuestem Stand der Technik. Zur effizienten internen Materialsammlung und dessen gemeinsamer Verwendung unter den Mitarbeitern entwickelt das Referat für Museums- und Kulturinformatik des Germanischen Nationalmuseums eine Datenbank zur Erfassung von technischen Details und Interpretationsansätzen zu Dürers Werken. Ein ebenfalls neu eingerichtetes Dürer-WIKI steht als Diskussionsplattform und Materialpool den internen und externen Projektpartnern offen.

Projektergebnisse online © 2012

Finden Sie unter http://duererforschung.gnm.de zu folgenden Themen:

  • Biographie des jungen Dürer
  • Dürers Umwelt
  • Dürer-Labor
  • Dürer-Netzwerk
  • Celtis Epigramme
  • Dürer-Bibliographie
  • mediale Umsetzung in Filmsequenzen
  • Chronik der Veranstaltungen
     

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Zum Forschungsprojekt „Albrecht Dürers frühe Federzeichnungen. Nichtdestruktive Werkstoffanalyse der Tinten. Dokumentation der Wasserzeichen“


Weitere Objekte des Projekts