GNM_DigitalStory

Dr. Katrin Herbst | 21.05.2020


DigitalStory – Kulturgeschichte auf einen Klick

Mit Museumsobjekten ist es wie mit Menschen: Je mehr wir über sie wissen, desto spannender sind sie für uns. Aber wie kommt man zu diesem Wissen? Sich durch Regalmeter von Forschungsliteratur kämpfen? Wir haben eine bessere Lösung: Die DigitalStory. Mit diesem neuen Format erzählt das Germanische Nationalmuseum Kulturgeschichte digital. Die Idee: Auf spannende und unterhaltsame Art das Hintergrundwissen zusammentragen, das die Geschichte hinter unseren Objekten erzählt und sie so zum Sprechen bringt. Und zwar unabhängig vom Standort – also im Museum, vor dem eigenen Computer oder mobil von jedem anderen Ort aus. Kulturgeschichte auch für Quereinsteiger.

Zu erzählen gäbe es viel – unser Haus ist voll von Geschichten. Aber wo fängt man am besten an? Was sind die Themen, die unsere Besucher*innen am meisten interessieren? Es gab für uns nur einen Weg, das herauszufinden - wir haben sie gefragt. Dabei hatten wir lediglich eine zeitliche Vorgabe: Es sollte um die Zeit des Mittelalters gehen.

Der Grund dafür ist die umfassende Sanierung unserer Mittelalterhalle, an der auch während der Schließung kräftig gearbeitet wird. Im nächsten Jahr werden hier die Highlights unserer Spätmittelalter-Sammlung in neuem Glanz erstrahlen. Die Neukonzeption der Mittelalterhalle ist gleichzeitig eine Art Versuchslabor für das Museum.


Den Besucher im Blick

Unser Ziel ist es, die Ausstellungen stärker auf den Besucher auszurichten. Deshalb proben wir bei der Neugestaltung der Räume auch neue Formen der Zusammenarbeit von Fachwissenschaftler*innen und Vermittler*innen. Auf der einen Seite sollen Besucher*innen die Räume und Kunstwerke ganz analog erleben können. Gleichzeitig möchten wir Forschung sichtbar machen und Hintergrundwissen zu den Objekten vermitteln. Hierbei helfen uns digitale Vermittlungsformen, wie eben auch die DigitalStory. Und damit das Forschungsmuseum in Zukunft noch mehr zum Besuchermuseum wird, gehören Besucherbefragungen selbstverständlich dazu.


Publikumsfavorit: Alltag im Mittelalter

Unter den vielen möglichen Themen für die DigitalStory gab es bei den Befragungen einen klaren Publikumsfavoriten: Alltag im Mittelalter. Unsere Besucher*innen wollten mehr darüber erfahren, wie ganz normale Menschen vor mehr als 500 Jahren gelebt, geliebt, gearbeitet, gewohnt oder sich gekleidet haben. Unsere Mission war es also, alles zusammenzutragen, was heute zu diesen Themen bekannt ist.


Digital erzählt, digital recherchiert

Neben den Gesprächen mit unseren Sammlungsleiter*innen bedeutete dies für uns vor allem umfangreiche Literaturrecherche. Zum Glück gibt es immer mehr Autor*innen, die ihr Wissen im Internet zur Verfügung stellen. Unser Museum mischt dabei übrigens kräftig mit: Fast 2400 wissenschaftliche Aufsätze und Bücher der Wissenschaftler*innen aus dem GNM sind über eine Open-Access-Lizenz frei zugänglich. Dazu kommen rund 1400 frühe Drucke und sogar an die 600 vollständig digitalisierte mittelalterliche Handschriften, die bei uns für jeden frei abrufbar sind. Und schließlich sind auch die Ergebnisse vieler unserer Forschungsprojekte mit umfangreichen Datenbanken im Internet zugänglich. Die deutsche Tafelmalerei des Spätmittelalters beispielsweise ist eine Fundgrube für alle, die den Bildern richtig auf den Grund gehen wollen. Aber wie findet man nun etwas speziell über den Alltag der Menschen im Mittelalter heraus?

 


Was bleibt, wenn die Erinnerung verblasst?

Anders als heute, wo jeder freizügig über seinen Alltag und seine persönlichen Vorlieben postet, hielten sich die Menschen im Mittelalter eher bedeckt. „Lifestyle“ war einfach noch kein Thema. Wie kommt man dem Alltag sonst noch auf die Spur? Denn Gegenstände, die man jeden Tag benutzte, sind im Laufe der Zeit kaputtgegangen und wurden entsorgt. Nur wenig wurde aufgeschrieben – viele Menschen konnten gar nicht schreiben und Papier war teuer.


Spurensuche in Bildern

Viele der erhaltenen Bilder, Handschriften und Objekte geben uns versteckte Hinweise zum Alltag der Menschen. Oft sind es die seltsamen Kleinigkeiten, die uns auf die Spur führen. In einer offiziellen Stadtansicht von Nürnberg erkennt man auf den großen Stadttürmen je einen kleinen Mann, der einen Hammer schwingt. Warum sind in einer ansonsten menschenleeren Stadt ausgerechnet diese Figuren zu sehen? Noch dazu völlig unrealistisch – viel zu groß und in den abenteuerlichsten Verrenkungen. Was steckt dahinter?


Türmer - ein Job in schwindelnder Höhe

Die Auflösung findet sich im Text dazu, einer Beschreibung des Lebens im mittelalterlichen Nürnberg. Hier wird erzählt, wie stolz die Bürger der Stadt auf ihre öffentliche „Zeitansage“ waren. Denn diese sogenannten Türmer gab es wirklich (mehr dazu finden Sie in Die älteste Taschenuhr der Welt?). Es waren Stadtangestellte hoch im Turm, die zur vollen Stunde die Glocke schlugen und damit das öffentliche Leben eintakteten. Denn woher sollte man sonst wissen, wie spät es war? Niemand hatte zu Hause eine Uhr. Große Kirchturmuhren gab es noch nicht. Was das für den Alltag der Menschen bedeutete, wird das erste Kapitel unserer DigitalStory verraten.


Countdown bis zum Go-live

Wenn alles so gut läuft wie bisher, gehen wir im Juli online. Bis dahin gibt es von nun an regelmäßig kleine Vorab-Geschichten zu dem, was wir über den Alltag der Menschen im Mittelalter herausgefunden haben. Unsere liebsten Aha-Momente bei den Recherchen. Dinge, die uns selbst überrascht haben. Unsere nächsten Posts drehen sich – aus aktuellem Anlass – um die Themen
•    #stayhealthy im Mittelalter | Medizin und Gesundheit
•    #stayathome im Mittelalter | Wie man zu Hause lebte
•    #staystrongtogether im Mittelalter | Liebe und Familie


Und wer sind wir?

Die DigitalStory ist das gemeinsame Projekt von meinem Kollegen Dominik von Roth und mir. Am GNM gehören wir zum Aktionsplan der Leibniz Forschungsmuseen zur Entwicklung innovativer Vermittlungsformate. Als Dritte mit im Aktionsplan-Team ist unsere Kollegin Regina Rüdebusch. Sie sorgt dafür, dass sich unsere Besucher*innen mit neuem Medienguide auf Entdeckungstour durch 600.000 Jahre Kulturgeschichte machen können. Und zwar ALLE Besucher*innen. Wir werden darüber berichten, warum das gar nicht so selbstverständlich ist und worin die große Herausforderung besteht.


Ein digitales Museum

Unsere DigitalStory ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer digitalen Wissensplattform. Dahinter verbirgt sich ein neuer Objektkatalog, der unsere Sammlungen online zugänglich macht und dazu jede Menge Hintergrundwissen zur Kulturgeschichte bereithält. Als leidenschaftliche Museumsmenschen wissen wir, dass nichts die Begegnung mit dem Original ersetzen kann. Unsere Vision ist es, dem Museum eine zusätzliche Dimension zu geben. Jeder soll die Möglichkeit haben, in unser digitales Wissensuniversum einzutauchen und eigene Entdeckungen zu machen. Und zwar rund um die Uhr und von (fast) jedem Ort der Welt aus.


Kommentare

05.06.2020 | Sandra Schwark

Der Artikel macht wirklich Lust auf DigitalStory! Bin schon sehr gespannt auf den Alltag im Mittelalter! | GNM_BLOG ANTWORTET: Herzlichen Dank. Wir werden auf unserer Website und unseren Social Media Kanälen berichten, sobald die Story online ist.


27.05.2020 | Peter Dietrich

Schön geschriebener Blogbeitrag und spannende Kategorie - da freut man sich auf mehr Storys und auf den digitalen Zugang zu den Objekten! | GNM_BLOG ANTWORTET: Danke für das Kompliment und Ihre Neugier auf unsere DigitalStory!!!


23.05.2020 | Petra Eggert

Endlich! Es ist Zeit, dass auch die großen alten Museen, diese gigantischen Archen des Sammelns, ihr Wissen über die Geschichte und ihre Hinterlassenschaften digital, umfassend und für jedermann, zu jeder Zeit abrufbar zur Verfügung stellen. Was die Tate da schon kann und tut, finde ich großartig. Ich bin gespannt auf das, was bald aus Nürnberg kommt. | GNM_BLOG ANTWORTET: Danke für Ihre Neugier auf das, was kurz vor der Online-Stellung steht! Wir halten Sie hier auf dem Laufenden


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