GNM im Corona-Modus

Prof. Dr. Daniel Hess | 06.04.2020


Das Germanische Nationalmuseum im Corona-Modus:
Arbeiten trotz Schließung

Vor 600 Jahren war das Germanische Nationalmuseum (GNM) ein Ort der Kontemplation und Stille: Die ältesten Museumsbauten wurden von Kartäusermönchen bewohnt, die sich hierher zurückgezogen hatten. Ist nun, in Zeiten der Corona-Krise, wieder klösterliche Stille in das Museum zurückgekehrt? Sieben Monate im Amt und nun diese Feuerprobe für das gesamte Museum. Ich möchte Ihnen gerne zeigen, wie wir die Situation gemeinsam meistern.


Überall wird gebaut

Über dem Tiefdepot im Klosterhof dreht sich der große Kran, aber nur noch bis zur Karwoche: Dann werden die letzten Betonier- und Mauerarbeiten abgeschlossen und der Kran abgebaut sein. Nach Ostern beginnt der Innenausbau des fünfgeschossigen Bauwerks, das im 3. Quartal 2021 bezugsfertig sein soll. Doch wir wissen nicht, wie lange die Gewerke mit den vielen ausländischen Spezialisten noch tätig sein können.

Auch die Mittelalterhalle nimmt Gestalt an: Die Glasfassade zum Bärenhof ist geschlossen, doch inmitten der Halle steht noch ein Bagger. Er steht da, wo dereinst das Verkündigungsbild von Konrad Witz und die Tegernseer Passion, zwei Meisterwerke der deutschen Malerei um 1450, hängen werden. Die Naturstein- und Dachdeckerarbeiten sind im Gange, die Elektro- und Lüftungsinstallation beginnen demnächst, und der Bauzaun zur Kartäusergasse wird voraussichtlich Ende Juni abgebaut.

Ich möchte das GNM öffnen und noch mehr zu einem europäischen Museum machen. Und nun bauen wir einen Zaun am Kornmarkt am Eingang für die Mitarbeiter/-innen und Nutzer/-innen unserer Bibliothek und Archive. Seit Jahren stinkt es hier zum Himmel; die Zustände wurden untragbar. Vandalismus und Verunreinigungen sind für alle, die hier aus- und eingehen, zur Zumutung geworden; davor schützt fortan ein Zaun.

Wir haben die Gelegenheit genutzt, den "Guerriero" von Marino Marini von seinem bisherigen Standort vor den Haupteingang in der Kartäusergasse zu versetzen, wo er hoffentlich bald wieder unsere Besucher/-innen begrüßen wird.


HomeOffice - eine neue Erfahrung

Archive und Bibliothek haben ihren Betrieb auf interne Abläufe konzentriert, seit auch diese Bereiche für Besucher/-innen geschlossen sind. Die Aufsichtskräfte beteiligen sich mit großem Engagement an einem Notprogramm zur Bestandspflege in Sammlungen, Bibliothek und Archiv: grundlegende Arbeiten, für die im laufenden Betrieb schon länger keine Ressourcen mehr vorhanden sind.

Rund 90 Mitarbeiter/-innen haben ihr Telefon umgestellt und sind seit einer Woche im Homeoffice tätig. Die Digitalisierung ermöglicht vorübergehend die Fortführung vieler wissenschaftlicher und administrativer Tätigkeiten. Unser Social Media Team versorgt Sie weiterhin mit spannenden Objektgeschichten und mit Einblicken in unsere Arbeiten trotz und während der Corona-Krise (Facebook und Instagram ).


Gerüstet für den ShutDown

Vor Ort tagt regelmäßig ein Krisenstab, der das Museum auf mögliche Szenarien vorbereitet:

• Primäre Aufgabe ist die Gewährung von Sicherheit für Kunstwerke und Gebäude, der Schutz der Gesundheit der Mitarbeitenden

• sowie die Aufrechterhaltung der primären Museumsdienste.

Selbst im Falle eines Shutdown müssen Klima und Sicherheit, Netzwerke und Server zuverlässig weiterarbeiten.


Chancen in der Krise

Die digitale Kulturvermittlung ist mir ein zentrales Anliegen für die Zukunft des GNM. Ende 2020 wollten wir mit neuen digitalen Angeboten die einzigartige Möglichkeit nutzen, Sie über den Museumsbesuch hinaus mit faszinierenden Geschichten des Menschen und seiner Dinge zu inspirieren. Wir legen nun einen Zahn zu; da Sie nicht zu uns kommen können, kommen wir nach Ostern zu Ihnen:

mit unserer GNM_DigitalStory | Alltag im Mittelalter

mit unserem neuen GNM_Blog

In unserem digitalen Museum erschließen wir eine Fundgrube von Geschichten und Objekten, die das Mittelalter an Hand unserer Exponate verständlich machen. Neben einzigartigen Einblicken in die Nürnberger Geschichte erfahren Sie auch, wie die Pest im Mittelalter dazu führte, die Grundlagen für unser Gesundheitssystem zu erfinden und woher der Begriff Quarantäne eigentlich kommt.

Spiele zu Hause haben in Corona-Zeiten sicherlich Konjunktur. Mit unserem Bestandskatalog, den wir gerade fertigstellen, erzählen wir Ihnen die faszinierende Geschichte der Spielsteine. Die Grenzen zwischen Spiellust und Spielsucht sind fließend, das wusste man schon vor Jahrhunderten, wie der gezeigte Spielstein deutlich macht.


Unsere Besuchermagnete stehen auf der Kippe

 

"Nach Dürer: Hans Hoffmann – ein Nürnberger Künstler der Renaissance"

Vor gravierende Probleme stellt uns die Anfang Juli zu eröffnende Ausstellung zu Hans Hoffmann, der weit mehr als der berühmteste Dürer-Kopist um 1600 war. Die weltweit erste monografische Ausstellung zu diesem faszinierenden Künstler wird voraussichtlich nicht stattfinden können, da viele der internationalen Leihgaben nicht zur Verfügung stehen werden und auch die erforderlichen Kurierreisen nicht stattfinden können. Mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung können wir aber auf jeden Fall den Katalog zur Ausstellung vorlegen und Sie für diesen einzigartigen Künstler der Renaissance begeistern. 

Wahrsagen in Ostasien und Europa

"Zeichen der Zukunft" – ein Ausstellungstitel mit ganz neuer Bedeutung. Im Dezember steht diese Ausstellung auf dem Plan. Sie beschäftigt sich mit den verschiedenen Praktiken der Zukunftsdeutungen im Vergleich zwischen Europa und Asien. Weder den ostasiatischen Wahrsagewerkzeugen, wie dem Manga-Tarot-Spiel oder den Orakelstäben, noch der europäischen Kristallkugel war bislang zu entlocken, ob bis November alle Leihgaben aus Taiwan anreisen können.

"Medizin- und Handwerksgeschichte"

Die neue kleine und exquisite Dauerausstellung Medizin- und Handwerksgeschichte woll(t)en wir im Herbst eröffnen. Wussten Sie, dass der Bazillus der seit dem 14. Jahrhundert in regelmäßigen, verheerenden Wellen über Europa sich ausbreitenden Pest erst 1894 entdeckt worden ist? Oder dass die Tuberkulose, eine bakterielle Infektionskrankheit, an der weltweit jährlich noch immer rund 10 Millionen Menschen erkranken, erst seit 1942 heilbar ist?


"Kultur ist für mich essentiell"

Unser Denken wird aktuell immer wieder auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Ängste und Einschränkungen zurückgeworfen. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unter erschwerten Umständen das GNM über die Krise hinwegtragen, sei ganz herzlich für ihre Flexibilität und ihr Engagement gedankt. Museen sind Speicher unseres kulturellen Erbes, Museen haben ihren Platz in der Gesellschaft.

Wie essentiell die Kultur für unser Leben ist, wie sehr uns Konzert-, Kino-, Theater- und Museumsbesuche fehlen, wird aktuell besonders deutlich. Auch wenn die digitalen Angebote keinen Ersatz für die direkte Anschauung bieten können, wollen wir unsere Objekte und Geschichten lebendig erhalten. Besuchen Sie deshalb unsere Website und folgen Sie uns über Social Media. Lassen Sie sich zuhause inspirieren. Bleiben Sie gesund und neugierig auf Ihr GNM!

 

 


Kommentare

08.01.2021 | Birgit

Wow. Tolle Arbeit. In dieser schwierigen Zeit kann man leider nur Fotos bewundern oder sich mit virtuellen Rundgängen trösten. Ich war gerade virtuell im Nationalpalast von Sintra. Mehr Infos hier: https://www.portugal-reiseinfo.de/lissabon/umgebung/sintra/sintra/ Ein Online Rundgang kann aber den Besuch vor Ort nicht ersetzen... Liebe Grüße Birgit | GNM_BLOG ANTWORTET: Liebe Birgit, das sehen wir genauso und erwarten sehnsüchtig die Wiedereröffnung der Museen! Bis dahin bleiben wir online verbunden :-)


08.05.2020 | Regina Simon-Knocke

Wir freuen uns über diese digitale Möglichkeit und werden sie sehr gerne nutzen. | GNM_BLOG ANTWORTET: Wunderbar! Empfehlen Sie das Angebot auch gerne weiter


07.05.2020 | Beatrice Pichlmeier

Ich bin begeistert: endlich ein ausführliches Lebenszeichen vom GNM! Guten Start! | GNM_BLOG ANTWORTET: Danke!


Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich