Riemenschneider: Restaurierung Heilige Elisabeth

Wibke Ottweiler | 13.06.2023


DIE RESTAURIERUNG

Mai/Juni 2023


Nachdem ich im letzten Beitrag vor allem verschiedene Untersuchungsmethoden und erste Befunde vorgestellt habe, will ich heute über den Fortschritt der Restaurierung berichten.

Erklärtes Ziel der Maßnahmen ist es, die Lesbarkeit der Oberflächen zu verbessern und die künstlerische Qualität der Skulptur wieder erfahrbar zu machen. Vor allem verdunkelte Überzüge und anhaftender Schmutz hatten die Oberflächen erheblich verunklärt, so dass weder die kunstvolle Schnitzerei noch die Farbigkeit der späteren polychromen Fassung zur Geltung kamen. Wie diese Fassung aussah und in welchem Zustand sie sich heute befindet, ist im letzten Blog-Beitrag "Voruntersuchungen - Wie sah die Hl. Elisabeth ursprünglich aus?" beschrieben.

Um die bunte Farbigkeit der Fassung und die Eigenfarbe des Holzes wieder sichtbar zu machen, sollen die störenden Schichten entfernt werden. Möglicherweise haben sich auch Reste älterer Farbschichten erhalten, von denen wir vor Abnahme der Überzüge nicht wissen. Neben den Voruntersuchungen sind deshalb umfangreiche Testreihen notwendig, um solche Spuren nicht zu verändern oder gar zu entfernen.

Die Testreihen ergaben, dass in Partien, in denen Schmutz und Überzüge direkt auf der freiliegenden Holzoberfläche liegen, ein wässriges Lösungsmittel zur Quellung geeignet ist. Um die feuchtigkeitsempfindliche Holzoberfläche trotzdem möglichst nicht zu belasten, kommen als Applikationsmethode spezielle Nano-Gele mit hoher Lösungsmittelrückhaltefähigkeit zum Einsatz.

Diese werden in nebelfeuchtem Zustand auf die Oberflächen aufgebracht. Nach mehrminütiger Einwirkzeit können Schmutz und Überzüge mit Wattestäbchen leicht von der Oberfläche entfernt werden, ohne die feuchtempfindliche Holzoberfläche zu quellen. Je nach Schichtstärke des Überzugs werden unterschiedlich viele Durchgänge benötigt.

In Bereichen, in denen die Überzüge nicht auf dem Holz, sondern auf der Farbfassung liegen, ist zusätzlich eine leichte Reibung nötig, um die Schichten voneinander zu trennen. Hierzu wird ein weicher Radierstift in Kombination mit einer schwachen Tensidlösung verwendet. Das Reinigungsergebnis ist beispielweise an Gesicht und Kopftuch gut sichtbar.

Bei der Reinigung des Mantels zeigte sich, dass unter Schmutz und Überzügen eine dunkelblaue Übermalung liegt, die über freiliegendes Holz und ältere Fassungen hinweg aufgestrichen wurde. Wie mit einer Materialanalyse nachgewiesen werden konnte, handelt es sich beim verwendeten Pigment um Berliner Blau, ein synthetisches Farbmittel, welches im 18. Jahrhundert erstmals hergestellt wurde, also mindestens 200 Jahre nach der ersten barocken Fassung aufgebracht wurde.

Offenbar fand in früheren Zeiten bereits ein Versuch statt, diese blauen Übermalungen zu entfernen, so dass die Schicht stark gedünnt und vielfach nur noch in Resten erhalten ist. Im Zuge der aktuellen Restaurierung sollen die verunklärenden Übermalungsreste nun möglichst vollständig abgenommen werden. Hierfür ist eine andere Vorgehensweise notwendig, da die dünne blaue Farbe sowohl in die Poren des Holzes als auch in feinste Alterssprünge der gealterten Farbschichten eingedrungen ist. Dies macht ihre Abnahme besonders schwierig. Nach der Erweichung der Farbschicht mit Lösungsmittelgelen nehme ich diese unter mikroskopischer Kontrolle mechanisch mit unterschiedlichen Feinwerkzeugen ab.

Mit diesen Methoden wird nun die gesamte Oberfläche der Skulptur behandelt, was aufgrund der dreidimensionalen Oberfläche sehr zeitintensiv ist. Immer wieder können auch unvorhersehbare Entdeckungen die Arbeit verzögern oder Anpassungen erforderlich machen. In diesem Fall machte mich ein starker muffiger Geruch der Holzskulptur aufmerksam. Der Geruch weckte bei einigen Kolleg*innen romantische Erinnerungen an Kirchenbesuche aus der Kinderzeit. Ich entnahm mehrere Schabeproben von der Oberfläche und ließ sie in einem Fachlabor analysieren. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung, dass die Skulptur stark mit Holzschutzmitteln belastet ist. Da die ausgasenden Dämpfe gesundheitsschädlich sind, muss ich mich mit einer entsprechenden Atemschutzmaske schützen.

So romantisch die Erinnerungen an frühere Kirchenbesuche sein mögen, so sehr macht dies die Grundsätzlichkeit des Problems deutlich: Belastetes Kunst- und Kulturgut ist keine Seltenheit. Im Gegenteil, man geht davon aus, dass so gut wie alle hölzernen Kunstwerke und auch Kirchenausstattungen, wie Chorgestühle, Orgeln, Bänke usw., im 20. Jahrhundert mit Insektiziden behandelt wurden, um Holzschädlinge zu bekämpfen. Je nach Mittel und Methode sind die Objekte heute unterschiedlich stark belastet. Nur eine Analyse kann über die enthaltenen Inhaltsstoffe und ihre Toxizität verlässlich Aufschluss geben und zur Wahl der geeigneten persönlichen Schutzausrüstung führen.

Bis heute konnten etwa 20 % der Oberfläche gereinigt werden. Die von Schmutz und Überzügen befreiten Flächen werden dadurch deutlich heller und die Farben wirken intensiver. Gleichzeitig kommen aber auch kleinere Beschädigungen, die unter den dunklen Überzügen verborgen waren, deutlicher zum Vorschein. Schon jetzt ist absehbar, dass eine farbliche Retusche zur Beruhigung der gealterten Oberflächen notwendig sein wird, um die überaus qualitätvolle Oberfläche wieder voll zur Geltung zu bringen.


Wie sah Riemenschneiders "Hl. Elisabeth" ursprünglich aus?

Dezember 2022


Nachdem wir die Skulptur der Hl. Elisabeth im Oktober in die Restaurierungswerkstatt gebracht hatten, fanden in den vergangenen Wochen umfangreiche Voruntersuchungen statt.

Bevor die eigentliche Restaurierung starten kann, versuchte ich zu klären, wie die Oberfläche ursprünglich ausgesehen haben könnte und welche späteren Überarbeitungen sich anhand der Farbreste rekonstruieren lassen. Bei einer über 500 Jahre alten Skulptur ist dies nicht ganz einfach, da verändernder Zeitgeschmack und unerwünschte Alterungserscheinungen immer wieder Anlass gaben, die Oberflächen zu verändern. Farbschichten wurden aufgetragen und wieder abgenommen, Reinigungsmaßnahmen entfernten empfindliche Lasuren, patinierende Überzüge sollten den Alterswert erhöhen.

Zwei etablierte Untersuchungsmethoden halfen mir bei der Beantwortung meiner Fragen: die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA) und der Querschliff.

 

Die RFA gibt uns Hinweise auf die verwendeten Materialien durch die Analyse der charakteristischen Eigenschaften der enthaltenen chemischen Elemente. Besonders Blattmetalle lassen sich gut identifizieren, auch einige Pigmente. Mit dieser zerstörungsfreien Untersuchungsmethode erfahren wir allerdings nicht, in welcher der übereinander liegenden Farbschichten sich das jeweils gemessene Material befindet.

Um die einzelnen Schichten identifizieren zu können, dient der sogenannte Querschliff, der zu den meistverbreiteten Methoden punktueller Malschichtuntersuchungen zählt. Dazu werden ca. 1 mm große Farbproben von der Oberfläche entnommen, in einem Kunstharz eingebettet und anschließend mit bis zu 400-facher Vergrößerung unter dem Mikroskop untersucht. Die einzelnen Schichten mit ihren Bestandteilen, wie Pigmenten, Füllstoffen, verlackten Farbstoffen, Blattmetallen und Bindemitteln, stellen sich deutlich dar. Dabei hilft auch die Betrachtung unter UV-Strahlung, in welcher die verschiedenen Materialien unterschiedlich fluoreszieren.

Im Falle der Hl. Elisabeth wollte ich herausfinden, ob auf der Holzoberfläche farbige Lasuren aus der Entstehungszeit zu finden sind, wie es für holzsichtige Skulpturen von Tilman Riemenschneider anzunehmen ist. Außerdem ging es um die Klärung der Farbfassungen (farbige Bemalungen), die heute die Oberflächen bedecken.

An verschiedenen Stellen der Skulptur, meist am Rand bestehender Beschädigungen, entnahm ich vorsichtig kleinste Proben und fertigte Querschliffe an. Die Proben betrachtete ich unter dem Mikroskop im Labor des IKK und konnte so die Reihenfolge der einzelnen Farbschichten klären.

Bei der heute sichtbaren Fassung handelt es sich um zwei verschiedene Farbfassungen, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen. In der älteren Gestaltung waren große Flächen mit Blattmetallen (Silber, Gold) belegt, die teilweise mit rotem Lack verziert waren. Der Mantel war außen rot und innen blau gefasst, die Grasnarbe, auf der Elisabeth steht, grün. In der jüngeren Fassung wurden die Flächen mit Farben überarbeitet, die teilweise die ältere Gestaltung aufgriffen und teilweise stark veränderten.

Vermutlich im 20. Jahrhundert nahmen Restaurator*innen die jüngeren Farbschichten an einigen Stellen ab, um die ältere Fassung wieder sichtbar zu machen. Eine solche partielle Freilegung ist nicht ungewöhnlich und liegt oft in den unterschiedlichen Zuständen der gealterten Materialien begründet.

Ein Beispiel dafür ist die heute weiß übermalte Haube der Elisabeth: Mithilfe der RFA und der Querschliff-Untersuchung fand ich heraus, dass die Haube ursprünglich versilbert und durch Alterung verschwärzt war. Wohl um den hellen Farbeindruck zu erhalten, wurde die Übermalung in diesem Bereich nicht entfernt.

Schließlich konnte ich in zwei Proben tatsächlich eine hauchdünne, gefärbte Lasur direkt auf der Holzoberfläche feststellen. Da diese Schicht sehr empfindlich ist und einer Oberflächenreinigung oder der Abnahme von Farbschichten nicht standhält, ist sie an allen Stellen verloren, an denen heute das Holz sichtbar ist. Die beiden Proben stammen aus sorgfältig ausgewählten, geschützten Bereichen, in denen alle Farbschichten noch intakt sind.

Der Nachweis der Schicht im Querschliff war eine große Entdeckung. Sie gehört höchstwahrscheinlich zur ersten Gestaltung der Skulptur mit farbigen Lasuren und wird nun in einem Speziallabor auf ihre Bestandteile analysiert: Die Befunde können einerseits mit anderen Skulpturen aus der Werkstatt Tilman Riemenschneiders verglichen werden. Andererseits helfen sie mir bei der Wahl geeigneter Lösungsmittel, um die Lasuren bei den späteren Restaurierungsmaßnahmen nicht zu gefährden. Wir sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse!

Im nächsten Schritt werden auf Grundlage der Voruntersuchungen Reinigungsproben auf den Oberflächen erfolgen. Die Lösungsmittel, die ich dafür einsetze, sollen den Oberflächenschmutz und unerwünschte Überzüge lösen, gleichzeitig dürfen sie die Farbfassungen nicht angreifen. Zur Eingrenzung der in Frage kommenden Materialien liefern die Ergebnisse der Voruntersuchungen wichtige Hinweise. Auf dieser Grundlage werde ich in Testreihen die für die jeweiligen Partien geeigneten Lösungsmittel und die passenden Anwendungsmethoden ermitteln.

 

Im nächsten Blogeintrag werde ich  hoffentlich schon Zwischenergebnisse der Reinigung zeigen können. Bevor es 2023 voller Elan weitergeht, wünsche ich unseren Blog_Leser*innen einen glücklichen Jahreswechsel!

 

 

Mehr zu Skulpturen des Mittelalters

GNM_kids forschen


Von der Ausstellung in die Restaurierungswerkstatt

Oktober 2022

Entnahme der Hl. Elisabeth aus der Ausstellung "Das Mittelalter"

Hl. Elisabeth in der Werkstatt des IKK

Seit dem 05.10.2022 befindet sich die Skulptur im Institut für Kunsttechnik und Konservierung am GNM. Von hier aus berichte ich nun regelmäßig über den Fortgang der Restaurierungsmaßnahmen.

Bleiben Sie neugierig!


Wie restauriert man eine Holzskulptur?

Das Germanische Nationalmuseum bewahrt in seiner Sammlung mittelalterlicher Skulptur insgesamt sieben Werke des Bildschnitzers Tilman Riemenschneider.

Riemenschneiders Werk zählt unbestritten zu den bedeutendsten Leistungen der Bildhauerei am Übergang vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Damit wird es einen zentralen Platz in der neuen Dauerausstellung Das Mittelalter. Die Kunst des 15. Jahrhunderts (Eröffnung 2024) einnehmen. Bis dahin sind die Highlights mittelalterlicher Kunst in einer Sonderausstellung zu bestaunen.

Allerdings befinden sich die Skulpturen in sehr heterogenem Zustand, der ihrer herausragenden Bedeutung teilweise nicht gerecht wird. Die Skulptur der heiligen Elisabeth ist besonders stark verschmutzt und wird vorbereitend für ihre Neuaufstellung im Jahre 2024 restauriert werden.


Die Riemenschneider-Skulpturen
im Germanischen Nationalmuseum

 

Im Skulpturendepot des GNM

Auf geht's mit den GNMkids.....


Kommentare

16.01.2023 | Manfred

Hallo, Das ist sehr spannend. Können Sie auch Fasnachtslarven untersuchen. Was kostet etwas. Gruß Manfred


15.10.2022 | Gabriele

Lieben Dank für die Impulse;) https://multifunktionsdrucker-testsieger.de/multifunktionsdrucker-cd-druck-drucker-mit-cd-dvd-druckfunktion-test/


08.10.2022 | Lore Gewehr

Hochinteressant Riemenschneider und Dürer sind meine Lieblinge! | GNM-BLOG ANTWORTET: Wunderbar, dann werden Sie Freude an diesem neuen Blog_Format haben, mit dem wir die Restaurierungsgeschichte erzählen.


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