#VW-Kolleg | Reisen in der Heimat

Autor*innen unseres Forschungskollegs | 29.08.2020


vom sammeln und dem Reisen
des Hans von Aufsess

Sarah Fetzer M.A.

Als Hans Freiherr von und zu Aufseß das Germanische Museum in Nürnberg 1852 gründete, stellte er der Einrichtung seine Privatsammlung dauerhaft zur Verfügung. Sie bestand aus rund 45.000 (!) Objekten, die er von Kindheitsjahren an zusammengetragen hatte. Neben Kunst- und Altertumsschätzen umfasste seine Sammlung Bücher, alte Handschriften und Archivalien. Seine Sammlungsstrategie lag auf dem Bezug zum deutschen Mittelalter, ob das Objekt ein Original oder eine Kopie ist, war ihm weniger wichtig.

Die Objekte erwarb Aufseß hauptsächlich auf dem Nürnberger Kunstmarkt und in der unmittelbaren Umgebung. Fündig wurde er auf seinen Einkaufstouren in anderen Großstädten Bayerns – wie München, Bayreuth, Bamberg und Augsburg. Zudem pflegte er mit zahlreichen Händlern, Auktionatoren und Verlegern engen Kontakt. Auch die Nürnberger Adeligen und Patrizier kannten ihn als Sammler. Bei seinen zahlreichen Besuchen auf dem Trödelmarkt lernte er mit Sicherheit um Preise zu handeln.

Doch was hat das Alles mit dem Reisen zu tun? Das Netzwerk des Freiherrn reichte durchaus über die Landesgrenzen hinaus. In seinen Tagebüchern erzählte er von Reisen in die Schweiz, nach Frankreich, Norditalien und Österreich, die er auch dafür nutzte, seine Sammlung zu bereichern. Während einer mehrwöchigen „Schweizer-Reise“ im Jahr 1823 wickelte Aufseß beispielsweise Tauschgeschäfte mit dem Pfarrer und Kupferstichsammler Johann Wilhelm Veith in Schaffhausen ab. Im Rahmen eines kurzen Aufenthaltes in Mailand tätigte der Freiherr wenige Tage später Käufe in Buch- und Musikalienhandlungen. In Straßburg lernte er 1826 den Archäologen und Schriftsteller Christian Moritz Engelhardt kennen, der ihn durch die Geschäfte und zu den Tourismusattraktionen der Stadt führte.


Romantische Mittelalterbilder – Aufseß und die Fränkische Schweiz

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts galten sogen. Kavalierstouren als übliche Reiseform des Adels, die weit über die eigenen Landesgrenzen hinausgingen. Das änderte sich im 19. Jahrhundert. Im Vordergrund standen nun nicht mehr primär gesellschaftliche Zwecke der „Grand Tour“, sondern die Sehenswürdigkeiten des eigenen Heimatlandes.   

Die bedeutenden Schriftsteller der Romantik, Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck, priesen die Fränkische Schweiz als attraktives Ausflugsziel. Noch heute zählt sie zu den bekanntesten  Tourismusregionen Deutschlands. Aufseß verbrachte einen Großteil seines Lebens auf seinem fränkischen Stammsitz Schloss Unteraufseß, wo bereits seine ritterlichen Vorfahren gelebt hatten. Von dort aus machte er sich regelmäßig auf den Weg.

 

Wandern in der Heimat – das war nur eine der vielen Freizeitbeschäftigungen unseres Museumsgründers. Seine Eindrücke hielt er in Skizzenbüchern fest, die jedoch nicht mehr erhalten sind. Wir wissen darüber aus seinen Tagebüchern, in denen er seine Lieblingsmotive beim Zeichnen beschrieb. Hierzu zählten mittelalterliche Burgen, Kirchen und alte Ruinen, gleichermaßen Landschaftsausblicke einschließlich stimmungsvoller Sonnenuntergänge.

Bei seinem langjährigen Freund Friedrich Hoffstadt holte er sich regelmäßig künstlerischen Rat ein. Hoffstadt galt als hervorragender Zeichner auf dem Gebiet der mittelalterlichen Architektur. Obwohl Aufseß ähnlich begabt wie sein Freund war, blieb für ihn die künstlerische Praxis hingegen stets ein Freizeitvergnügen.


Unterwegs mit Sammlerfreunden – Die archäologische Tätigkeit

Bereits in jungen Jahren ging Aufseß mit seinem Freund und späteren Schwager Carl von Seckendorff-Aberdar in der näheren Umgebung auf Entdeckungstouren. Seckendorff erweckte in dem Baron die Vorliebe für Naturgeschichte und archäologische Ausgrabungen. Und so erklärt sich, warum die erste Sammlung des Freiherrn Versteinerungen bis hin zu Tier- und Menschenknochen umfasste. Sie wird heute im Meingoz-Steinhaus der Schlossanlage Unteraufseß aufbewahrt.

 

Und immer wieder die Faszination für das Mittelalter: Während seines Jurastudiums in Erlangen (1816–1822) wuchs das wissenschaftliche Interesse an dieser Epoche und Aufseß erforschte in Begleitung seiner Studienfreunde die oberfränkische Gegend. Auf dem Tagesplan standen Besichtigungen mittelalterlicher Kirchen und alter Grabsteine. In der Hoffnung, neue Hinweise über seine Ahnen zu finden, öffnete Aufseß sogar einmal die Gruft der Familienkirche.

Oftmals tauschte sich der Baron mit dem Bamberger Kunstsammler und Heimatforscher Joseph Heller aus, der ab 1827 zu seinen engsten Freunden zählte. Heller selbst war für sein kostbares Holzschnitt- und Kupferstichkonvolut bekannt, das er der Bamberger Staatsbibliothek vermachte. Die Gleichgesinnten unternahmen regelmäßig gemeinsam Ausgrabungen. 1832 publizierte Aufseß die Forschungserkenntnisse in einem Aufsatz. Heller hingegen arbeitete zielstrebig an einem Reise- und Wanderführer für die Fränkische Schweiz, der 1842 erschien.

Es verwundert also kaum, dass die ur- und frühgeschichtlichen Altertümer seit der Gründung des Germanischen Nationalmuseums einen festen Platz in dessen Gesamtkonzeption haben.


Neue Welten entdecken – Altbekannte Orte schätzen

Wer neugierig geworden ist, der kann selbst auf Spurensuchen gehen. Erfahren Sie mehr über den Museumsgründer, die Mittelalterrezeption oder über archäologische Ausgrabungen in unserer Dauerausstellung Gründung des Germanischen Nationalmuseums und Ur- und Frühgeschichte.

Bei uns schon alles entdeckt? Dann lohnt sich womöglich der Weg ins Herz der Fränkischen Schweiz. Über die Website des Schlosses Unteraufseß können Führungen – einschließlich eines Themenrundgangs zu Hans von Aufseß – angefragt werden. Besonders beliebt ist das idyllische Reiseziel in Kombination mit Burg-, Schloss- und Ruinenbesichtigungen im Rahmen einer Radtour oder Wanderung.

Das reicht Ihnen nicht aus? Ein Abstecher nach Bamberg kann Abhilfe leisten. Derzeit ist eine Ausstellung der Bamberger Staatsbibliothek in Planung: Joseph Heller und die Kunst des Sammelns. Bis zur Eröffnung gibt Ihnen ein interaktives E-Book aktuelle Einblicke zu dem Forscher und Sammler.

Wir, das Forschungskolleg Modellierung von Kulturgeschichte am Beispiel des GNM, haben im vergangenen Jahr die authentischen Orte unseres Museumsgründers besucht. Ein durchaus bewegender Moment.


Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich