NÄHTISCHKLAVIER

Hersteller: Johann Schiebe
Datierung: 1814
Ort: Wien

Inventarnummer: MINe214

 

Was ist ein „Nähtischklavier“?
Technisch gesehen ist es ein kleines Hammerklavier, das in einen Nähtisch oder, wie in diesem Fall, in einen Nähkasten eingebaut ist. Die Klaviere haben im Vergleich mit ihren „großen Geschwistern“ nur einen begrenzten Umfang von meist vier Oktaven, können aufgrund ihres kompakten Gehäuses aber viel einfacher im Salon bewegt werden als ein Flügel oder ein aufrechtes Klavier. Das Nähkästchen mit dem integrierten Hammerklavier erinnert mit seinem gewölbten Deckel und den seitlichen Tragegriffen eher an eine Reisetruhe. Über den Saiten befindet sich ein herausnehmbarer Einsatz, der mit allerhand Fächern versehen ist, die teilweise mit Deckeln verschlossen werden können. Im Deckel ist ein Spiegel, der nach vorne heruntergeklappt werden kann. Es blieb den jungen Damen überlassen, ob sie die Fächer mit Näh- oder Frisierutensilien bestückten.

Wer hat solche Instrumente gebaut?
Die meisten dieser kleinen Klaviere sind von anonymen Handwerken gebaut. Dieses Instrument ist eines der wenigen signierten Exemplare. Es stammt von Johann Schiebe aus Wien, der auf der Unterseite des Resonanzbodens mit Bleistift notierte: „Napoleon du großer Mann Du bist jetzt Warlich übel dran. Wien den 16ten May 1814“. Wir haben hier also den seltenen Fall, dass neben dem Erbauer auch ein genaues Datum und sogar ein politisches Ereignis, nämlich die Verbannung Napoleons auf die Mittelmeerinsel Elba festgehalten wurde. Schaut man sich das Instrument genauer an, so stellt man fest, dass Johann Schiebe ein erfahrener Schreiner war, der beim Bau von Hammerklavieren aber noch einige Erfahrungen sammeln musste.

Und was haben die Damen darauf gespielt?
Da diese Instrumente meist einen Umfang von f–f3 und sehr schmale Tasten haben, lassen sich darauf keine Sonaten von Schubert oder Beethoven spielen. Bei diesem Instrument gibt es auch keine Dämpfung, d. h. die angeschlagenen Töne klingen ineinander. Das sorgt einerseits für einen größeren Klang, andererseits verschwimmen bei schnellen Passagen die einzelnen Töne zu einer großen Masse. Solche Klaviere waren das Zweit- oder gar Drittinstrument begüterter Familien – für den Klavierunterricht und die zeitgenössischen Klavierwerke gab es folglich das „große“ Klavier. Für die miniaturisierten Nähkästchenklaviere mit ihrem begrenzten Umfang erschienen Lieder und kleinere, technisch nur mäßig anspruchsvolle Stücke in den zahlreichen Almanachen der Zeit. Viele der höheren Töchter dürften aber auf diesen Klavieren improvisiert haben.

weiterführende Informationen finden Sie in der Forschungsdatenbank des GNM

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