Auf einigen Darstellungen, so auch auf dem Schlussstein der Frauenkirche, erscheint Maria mit Rute. Sie schlüpft damit in die Rolle der Grammatik, die im Mittelalter durch eine Frau mit Rute personifiziert wird. Die Szene im Schlussstein wie auch der Streit um den Brei verweisen auf die damals viel diskutierte Menschwerdung Christi. Sie unterstreichen die menschliche Natur des Christusknaben. Deshalb ist dieser auf unserer Tafel mit betont geöffneten Beinen und deutlich sichtbarem Geschlecht gezeigt. Die Botschaft lautet offenbar: Christus ist ein ganz normales Kind, das die Schule ebenso fürchtet wie die im Unterricht eingesetzte Rute.
Familienleben auf engstem Raum
Die räumlichen Verhältnisse waren im Mittelalter eng, wie ein Buchholzschnitt von 1519/20 illustriert: Die Eltern, eine Amme und acht Kinder sind in einem Raum zusammengedrängt. Wie auf unserem Altarbild sitzt die Mutter am Spinnrocken, doch damit noch nicht genug, vorne links entdecken wir zwei Jungen, die sich um einen Breitopf streiten. Nun sind es aber nicht mehr Christus und Johannes, sondern ganz normale Kinder in einer alltäglichen Szene. Auch dieser Holzschnitt ist natürlich kein Schnappschuss damaliger Lebensverhältnisse, vielmehr zeigt er programmatisch eine christliche, arbeitsteilig organisierte Familie. Die Aufgabe der Eltern insbesondere des Hausvaters ist es, die Familienmitglieder auf ihre Aufgaben in der Gesellschaft vorzubereiten.
Kommentare
18.05.2020 | Heidemarie Kockert
Hochinteressant | GNM_BLOG ANTWORTET: Danke und herzliche Grüße aus dem GNM!
18.05.2020 | Irmela Bess
Wunderbarer Beitrag- der Schulbezug schon bei Jesus etc. Vielen Dank! Gestern habe ich mit meinem Enkel Hausaufgaben gemacht und es beruhigt, wieder zu hören, dass auch der Buchdruck eine enorme technische Entwicklung war, die unabsehbare Folgen hatte. Herzlichen Gruß! | GNM_BLOG ANTWORTET: Ganz herzlichen Dank. Der Blick in die Vergangenheit hilft doch immer auch die Gegenwart besser zu verstehen und hat manchmal etwas Tröstliches :-)