Kritischer Katalog der Luther-Bildnisse (1519 - 1530)

Laufzeit: Juni 2018 – Mai 2021
Förderung: Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen der Förderlinie Kooperative Exzellenz (Leibniz-Wettbewerb 2018)

Ergebnisse des Forschungsprojektes online: Kritischer Katalog der Luther-Bildnisse

Das Projekt

Erfassung, Analyse und Kontextualisierung der Bildnisse Martin Luthers (Malerei und Druckgraphik)

Die Bedeutung Martin Luthers für die Religions- und Kulturgeschichte ist unbestritten, wenige Menschen seiner Zeit wurden so häufig porträtiert. Anders als seine Werke sind die für seine Wirkungsgeschichte ebenso wichtigen zeitgenössischen Porträts jedoch weder vollständig gesammelt, noch kritisch erschlossen. Anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 wurden diese Bildnisse gleichwohl weltweit massenmedial präsentiert und vermarktet, obwohl über ihren historischen Verwendungszusammenhang, ihre Datierung und ihre Authentizität teilweise Unklarheit herrscht. Jüngere Untersuchungen zeigten, dass einzelne als authentisch geltende Schlüsselwerke später als angenommen gefertigt wurden und damit der nachträglichen ikonographischen Überhöhung des Reformators zu dienen schienen. Vor diesem Hintergrund ist ein kritisches Werkverzeichnis der frühen Luther-Bildnisse (1519–1530) ein wissenschaftliches und kulturpolitisches Desiderat. Dazu schafft das Projekt mittels seines interdisziplinären Ansatzes, der die Bereiche Kunstgeschichte, Kunsttechnologie, Reformationsgeschichte und Informatik einschließt, die methodischen und inhaltlichen Voraussetzungen. Grundlage der Bearbeitung ist die Erstellung eines Katalogs der autonomen Luther-Bildnisse aus den Gattungen Malerei und Druckgraphik, die sich dem Untersuchungszeitraum von 1519 bis 1530 zuordnen lassen bzw. Diskussionsgegenstand dieser zeitlichen Verortung sind. Der Fundus der Luther-Bildnisse, der besonders im Bereich der druckgraphischen Werke zu einer hohen Materialdichte führt, wird im Rahmen des Projekts möglichst hochauflösend digital erfasst.

Das frühneuzeitliche Bildnis am Beispiel Luthers

Der Werkkomplex der Bildnisse Luthers bietet die optimale Gelegenheit für grundsätzliche Überlegungen zu Anlass, Modus und Kontext von Bildnissen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es ist zu prüfen, ob die Frage der Authentizität und der naturalistischen Wiedergabe ad vivum als Ausdruck eines Verständnisses von Natur und Persönlichkeit verstanden werden sollte oder vielmehr im vielschichtigen Kontext von formelhafter Aufladung und Verlebendigung, Repräsentation und Gruppenbildung, Memoria und Propaganda neu diskutiert werden muss.

Neue Ansätze der Materialerschließung durch die Informatik

Mit eigens für das Projekt entwickelten Methoden der Mustererkennung werden hochauflösende Aufnahmen der Gemälde und druckgraphischen Werke objektiv hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit analysiert. Die erfassten Gemeinsamkeiten und Unterschiede können beispielsweise Hinweise auf den Abnutzungsgrad der jeweiligen Druckplatten bzw. -stöcke liefern. Dies erlaubt Rückschlüsse auf ihre Entstehung sowie möglicherweise gattungsübergreifende Übertragungsverfahren. Wiederkehrende, visuell prägnante Bildelemente werden automatisch detektiert und mit einem quantitativen Ähnlichkeitsmaß ausgewertet. Zur Ähnlichkeitssuche werden sowohl etablierte Methoden der Mustererkennung als auch neueste Ansätze in der Anwendung von Deep Learning erprobt. Insbesondere werden hierfür auch Ergebnisse der bildgebenden Untersuchungsverfahren wie der Infrarotreflektographie miteinbezogen.

Kunsttechnologische Untersuchung

Als Grundlage für eine möglichst valide kunsthistorische Einordnung und Kontextualisierung untersucht das Projekt ausgewählte Bildnisse mit physikalischen Analyseverfahren und naturwissenschaftlichen Methoden. Neue Erkenntnisse zu materieller Beschaffenheit, Werkprozess, maltechnischen Charakteristika und Zustandsveränderungen der Porträts sollen das Verständnis für diese Werke wesentlich erweitern. Vergleichende Untersuchungen können darüber hinaus Hinweise zu serieller Bildproduktion im 16. Jahrhundert liefern. Die Untersuchung der Gemälde-Bildträger umfasst die Bestimmung der verwendeten Holzarten und, wo möglich, eine Eingrenzung des Alters mittels der Dendrochronologie. Für den Bereich der druckgraphischen Werke sind Analysen der Bogenparameter, Papierstruktur und der Wasserzeichen vorgesehen. Diese können gleichsam wesentliche Anhaltspunkte für den Verwendungsort und/oder die Datierung des jeweiligen Papiers liefern. Strahlendiagnostische Flächenuntersuchungen erlauben die Analyse des Bildaufbaus, die Identifizierung etwaiger Veränderungen im Entstehungsprozess sowie späterer Veränderungen durch Alterung oder Restaurierung. Infrarotreflektogramme dienen der Visualisierung der Unterzeichnung von Gemälden. Ihre Auswertung liefert neben Einblicken in die Bildkomposition Informationen zum Entstehungsprozess der Malerei. Diese können Hinweise darauf geben, ob die Zeichnung frei auf dem Malgrund entwickelt oder etwa von einer Vorlage übertragen worden ist.

Kritische Evaluation historischer Quellen

Die Schriften Martin Luthers wurden seit 1519 vielfach mit druckgraphischen Bildnissen des Autors versehen, die zu den frühesten über das Erscheinungsdatum datierbaren Beispielen gehören. Die systematische Erfassung dieser Bildnisse bildet den Ausgangspunkt für eine kritische Erforschung der verschiedenen Überlieferungsstränge. Begleitend erfolgt eine möglichst vollständige Sichtung und Auswertung der überlieferten Quellen zu Entstehung, Gebrauch und Verwendung der Luther-Darstellungen bis 1530 (Berichte über Verwendungszusammenhänge, Verbrennungen von Bildnissen etc.). Ein wichtiger Aspekt ist die von der Forschung bislang wenig berücksichtigte typographische Analyse der Inschriften gedruckter Luther-Bildnisse, die im Idealfall eine chronologische und topologische Zuordnung erlaubt und damit die Wasserzeichen-Analyse ergänzen kann.