
Impf-Motivation aus Metall
Seit dem 27. Dezember 2020 impft Deutschland gegen das Corona-Virus. Diskutiert wird seither über die richtige Impfstrategie, die Wirksamkeit und Risiken der Impfstoffe und die Impfwilligkeit und -unwilligkeit der Bevölkerung. Der Kampf gegen hochansteckende Krankheiten durch Impfung und die Debatten darüber sind zwar gerade brandaktuell – aber eigentlich schon sehr viel älter. Erstmals großflächig zum Einsatz gekommen ist ein Impfstoff im 19. Jahrhundert zur Bekämpfung der Pocken. Bis zur Einführung des Reichsimpfgesetzes 1874 ließen sich Landesregierungen und Ärzte einiges einfallen, um die Bevölkerung zum Impfen zu motivieren.
Pocken, auch Blattern oder Variola genannt, existierten seit Jahrhunderten fortwährend und weltweit (Pest und Heilige - ein weiterer Beitrag in unserem Blog). Immer wieder kam es zu fatalen Ausbrüchen mit vielen Toten. Auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reichs wüteten seit den 1780er Jahren mehrere Pockenepidemien besonders heftig. Nach Schätzungen forderten sie jährlich mehr als 60.000 Todesopfer – das ist in etwa die heutige Einwohnerzahl von Neu-Ulm. Besonders häufig waren Kinder betroffen.
Mediziner beschreiben den Krankheitsverlauf der Pocken so: Bei Beginn der Erkrankung kommt es zu hohem Fieber mit schwerem Krankheitsgefühl. Nach wenigen Tagen entstehen die typischen Hauterscheinungen am gesamten Körper: Erst kleine rötliche Flecken, die sich zu Knötchen und dann zu Bläschen entwickeln. Diese sind mit einer klaren Gewebeflüssigkeit voller Viruspartikel (Lymphe) gefüllt und wandeln sich zu eitrigen Pusteln.
Wachsmoulagen machen das Krankheitsbild besonders eindrücklich. Sie wurden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als anschauliches medizinisches Lehr- und Studienmittel eingesetzt. Bei der Herstellung formten Mouleurinnen und Mouleure die betroffene Körperstelle mit Gips ab. Das Gipsnegativ gossen sie mit Wachs aus und gestalteten danach realitätsnah das dabei entstandene Wachspositiv. Es wurde im Hautton eingefärbt, mit Farbe nachbearbeitet, und auch Haare wurden eingesetzt.
Bei einem unkomplizierten Krankheitsverlauf trocknen die Pockenpusteln ein und heilen narbig ab. Bei schweren Fällen können Augen und Gehirn betroffen sein, und die Krankheit kann zu Blindheit und Hirnschäden führen. Oft jedoch verläuft sie tödlich.
Um der Pocken Herr zu werden, war es außerhalb Europas schon länger üblich, infektiöses Material aus Pockenpusteln erkrankter Menschen in gesunde Körper einzubringen. Durch die „Variolation“ sollte eine mildere Form der Erkrankung ausgelöst werden, die vor einer tödlichen Infektion bewahrte. In Europa wurde die Methode erst Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt. Vor allem Lady Mary Wortley Montagu (1689-1762), die Frau des englischen Botschafters in Konstantinopel, warb intensiv für diese Impfmethode. Doch das Vorgehen wurde mit Skepsis betrachtet. Die Angst, schwer zu erkranken, war groß. Außerdem fürchtete man immer, eine Epidemie auszulösen.
Der Impfstoff von der Kuh
Schon im 18. Jahrhundert fiel einigen Landwirten und Landärzten auf, dass Personen, die mit Kuhpocken infiziert worden waren, von den todbringenden Pocken verschont blieben.
Der britische Landarzt Edward Jenner (1749-1823) unternahm basierend auf diesem Wissen gezielte Versuche. Er impfte den achtjährigen Gärtnerjungen James Phipps (1788-1853) und andere Kinder, darunter seinen eigenen Sohn, auf diese Weise. Die Ergebnisse veröffentlichte er 1798 unter dem Titel „An Inquiry into the Causes and Effects of Variolae Vaccinae“. Die Schrift verbreitete sich schnell bei Ärzten auf dem europäischen Festland, und sie erprobten die neue Impfmethode.
Die sogenannte Vakzination und auch der heute viel genutzte Begriff Vakzin für Impfstoff leitet sich übrigens vom lateinischen „vaccinus“, also: „von Kühen stammend“, ab. Zahlreiche Landesfürsten unterstützten aufgrund der allerorts vermeldeten Erfolge die Kuhpocken-Impfung. Die Impfstrategien waren jedoch in den deutschen Staaten unterschiedlich.

Kommentare
13.04.2021 | Rita Wolkersdorfer
Vielen Dank für diesen gut recherchierten Artikel. Sehr interessant. Schön, dass nun auch einmal Medaillen Thema des GNM-Blogs sind. Und: In der momentanen (Corona-)Situation ist es irgendwie beruhigend, dass das Thema "Impfgegner" nichts Neues ist, Offensichtlich ein Bereich, der die Menschen immer schon gespaltet hat. | GNM_BLOG ANTWORTET: Liebe Frau Wolkersdorfer, herzlichen Dank für Ihr Feedback!!
30.03.2021 | Eckhard Prochaska (30.3.21)
Abgesehen von der für Numismatiker ungewöhlichen Abbildungsweise der Medaillen fand ich die verschiedenen Themenbereiche des Artikels gut recherchiert, interessant dargestellt und mit instruktiven Fotos bereichert. Die Impfgegnerbewegung im 19. Jahrhundert war mir bisher unbekannt. Auf jeden Fall "danke" dafür, dass ein Blog auch einmal numismatische Objekte zur Erweiterung eines aktuellen Themas aus historischer Sicht heranzieht. | GNM_BLOG ANTWORTET: Lieber Herr Prochaska, wie schön, dass Sie wir überraschen konnten. Danke für Ihr Feedback und herzliche Grüße aus Nürnberg!
28.03.2021 | Winfried Stein
Ich finde es sehr verdienstvoll, die Medaillen zum Thema Impfschutz vorzustellen. Allerdings bedauere ich, dass die Medaillen nicht vollständig abgebildet werden. Münz- und Medaillensammler sind es gewohnt, die Stücke ganzheitlich wahrzunehmen. Zusätzlich kann man wichtige Details hervorheben. Mit freundlichen Grüßen Winfried Stein, Verein für Münzkunde Nürnberg e.V. GNM_BLOG ANTWORTET| Sehr geehrter Herr Stein, herzlichen Dank für Ihre Nachricht! Wir werden in Zukunft darauf achten. Dieses Mal ging es um das Fokussieren auf die Details.