MAGAZINSTEREOSKOP

Datierungum 1900
Inventarnummer: HG11129

Was versteht man unter einem Stereoskop?
Ein Stereoskop ist ein Gerät für die Betrachtung von Bildern, das durch seine spezielle Gestaltung eine räumliche Tiefenillusion erzeugen soll. Erfinder der Stereoskopie war der englische Physiker Charles Wheatstone (1802-1875), der in den 1830er Jahren umfassende Studien zum räumlichen Sehen unternahm: Die Stereoskopie basiert auf der Erkenntnis, dass der Mensch mit jedem seiner Augen ein separates, zweidimensionales Bild der Realität erfasst und dass erst durch die Verknüpfung dieser Einzelbilder im Gehirn ein räumlicher Seheffekt eintritt. Die im 19. Jahrhundert entwickelten fotografischen Verfahren ermöglichten durch den Einsatz besonderer Kameras die Aufnahme nur minimal, dem Augenabstand eines Menschen entsprechend, variierender Doppelbilder. Für die Betrachtung dieser Bildpaare wurden verschiedene Apparate konstruiert – kleine Handstereoskope und größere Tischstereoskope für den privaten Hausgebrauch, aber auch monumentale Anlagen für öffentliche Aufführungen, wie August Fuhrmanns „Kaiserpanorama“, das 25 Zuschauer gleichzeitig in den Bann seiner illusionistischen Bilderwelten ziehen konnte.

Wie funktioniert das Magazinstereoskop?
Das Stereoskop besteht aus einem hohen Holzkasten mit zwei Linsen im oberen Bereich der Vorderseite, die Einblick in das Innere der Apparatur gewähren. In dem hier eingebauten Magazin sind 49 Papierfotografien aus der Zeit der 1860er bis 1880er Jahre enthalten. Durch Drehen der Knöpfe an den Außenseiten des Kastens treten diese Bildpaare nacheinander in das Sichtfeld des durch die Linsen blickenden Betrachters. Zur Beleuchtung der Papierfotografien muss der obere Deckel des Stereoskops hochgeklappt werden. Aber auch eine Bestückung mit Glasdias war möglich: Das hierfür notwendige Durchlicht ließ eine Mattglasscheibe an der Rückseite des Geräts eindringen.

Was verrät das Magazinstereoskop uns über die Vorlieben seiner einstigen Besitzer, und wer lieferte das Bildmaterial?
Die in diesem Stereoskop enthaltenen Fotografien bieten eine reiche Palette unterschiedlicher Motive zur Ansicht: So kann sich der Betrachter auf eine Art Bilderreise begeben, in die Metropolen Paris, Wien und München, den Kurort Bad Brückenau, vor den Kölner Dom und das Niederwalddenkmal und in ein Alpenpanorama mit Zugspitze. Verschiedene Personen, wie ein Mädchen in adretter Kleidung, treten ihm in alltäglich anmutenden Szenen plastisch vor Augen. Entsprechend der Vielfalt an Themen zeichnen mehrere namhafte Fotografen des 19. Jahrhunderts für die Stereoskopien verantwortlich, u. a. Sophus Williams (1835-1900), František Fridrich (1829-1892) und Wilhelm Burger (1844-1920). Der heterogene Bestand an Bildmaterial legt nahe, dass es sich hier um eine über einen längeren Zeitraum und aus verschiedenen Quellen erworbene Sammlung handelt, die – wie damals durchaus üblich – wohl auch durch den Austausch mit Besitzern anderer Stereoskopien immer wieder mit neuen reizvollen Effekten bereichert wurde. Die in großen Auflagen und zu niedrigen Preisen produzierten 3D-Aufnahmen ermöglichten es, ein individuelles Unterhaltungsprogramm entsprechend den persönlichen Vorlieben der Konsumenten zusammenzustellen.