DANGER ZONE
Bildgebende Verfahren zur Erforschung des Zahnwurzelkanals
Imaging techniques for root canal research
Seit zehn Jahren verzeichnen Mediziner einen starken Anstieg von Studien, die sich der Gestalt des Zahnwurzelkanals widmen. Bereits seit dem 20. Jahrhundert profitiert der Forschungszweig in besonderem Maße von der Entwicklung neuartiger radiologischer Verfahren wie der Computertomographie (CT), der Micro-Computertomographie (Micro-CT) sowie der Digitalen Volumentomographie (DVT). Es handelt sich hierbei um Verfahren unter Nutzung von Röntgenstrahlen, die im Falle des Micro-CT zu hochauflösenden, dreidimensionalen Bildern der Zahnwurzel weiterverarbeitet werden können.
Noch heute suchen behandelnde Zahnärzt*innen den Wurzelkanals eines Zahns nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip. Die zunehmende Verbesserung bildgebender Verfahren führt nicht nur zu einer besseren Kenntnis der Anatomie des hochkomplexen Zahnwurzelkanalsystems, sondern unterstützt Ärzt*innen auch in der Vorbereitung individueller Eingriffe in der - wie sie sagen - „Danger Zone“ des menschlichen Gebisses.
For a decade, physicians have witnessed a large increase of studies on the anatomy of the root canal. Since the 20th century, the discipline benefits from the development of new radiological methods like Computed Tomography (CT), Micro Computed Tomography (Micro-CT) and Digital Volume Tomography. All methods use X-ray beams, which in the case of the Micro-CT are processed into high-resolution and three-dimensional images of the root canal.
Dentists still search the root canal by chance. Better imaging techniques improve the knowledge of its anatomy and facilitate medical surgery in the – as they say – “danger zone” of the human dentition.
1 Oberkiefer-Sechsjahrmolare
nach Holm Reuver (2022)
Die Anatomie der Zahnwurzel verändert sich während des gesamten Lebens. Wie die Ethnie, spielte auch das Alter lange Zeit keine Rolle in der Forschung. Die Bilder zeigen Backenzähne, die im sechsten Lebensjahr in der Mundhöhle durchbrechen („Sechsjahrmolare“). Erst in den darauffolgenden Jahren reift die Wurzel vollständig aus. Die Hohlräume der Wurzeln sind hier noch recht weit und werden erst im Reifungsprozess enger. Dadurch kann das Alter des Probanden auf das achte Lebensjahr geschätzt werden.
Diese Darstellungen sind mit Hilfe eines älteren bildgebenden Verfahrens, der sogenannten Transparenzmethode, entstanden. Um den Zahn „transparent“ zu machen, wird er in ein Gefäß mit Metyhlasilcylatflüssigkeit gegeben, in dem die Zähne innerhalb von 30-60 Minuten durchsichtig werden. Methylsalicylat hat den gleichen Lichtbrechungsindex wie tierisches Gewebe, wodurch Lichtbrechungen an Grenzflächen aufgehoben werden. Am Schluss steht die fotografische oder filmische Auswertung.
2 oben | Endodontische Feilen von 1993 bis heute
Nickel-Titan
2 unten | Innovationen
Nickeltitan, Edelstahl
3 Handfeilen in verschiedenen Größen
Nickeltitan, Kunststoff
Wesentliches Ziel der anatomischen Erforschung ist die bestmögliche Aufbereitung eines mit Bakterien befallenen Wurzelkanals. Infizierte Stellen werden dabei durch mechanisches oder händisches Herausfeilen entfernt. Anschließend wird der Wurzelkanal wieder gefüllt. Ein großer Meilenstein war die Entwicklung von elastischen Feilen mit Nickel-Titan-Legierung in den späten 1980er Jahren.
4 Übergroßes Feile
Nickel-Titan
5 a-b Darstellung von Vorbackenzähnen des Unterkiefers mit Micro-CT
mit zwei Kanälen aus verschiedener Perspektive
nach Frank Paqué und Michael Arnold (2018)
Die Rolle von Alter, Geschlecht und Ethnie fand lange Zeit keine Beachtung in der Forschung. Die unteren Vorbackenzähne weisen in der europäischen Bevölkerung mehrheitlich einen Wurzelkanal auf, wohingegen etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Türkei und in Jordanien zwei Wurzelkanäle besitzt.
5 c Darstellung eines Unterkieferbackenzahns mit Micro-CT
Mit c-förmigem Kanalsystem
nach Frank Paqué und Michael Arnold (2018)
Heute ist bekannt, dass Unterkieferbackenzähne in der europäischen Bevölkerung meist über zwei Wurzeln verfügen, während in der Mongolei, aber auch bei Inuits und amerikanischen Ureinwohnern häufig eine dritte Wurzel zu beobachten ist. Dieser Zahn hingegen weist nur einen Kanal auf.
6 Zahnwurzelkanäle von Oberkieferbackenzähnen mit Micro-CT
nach Marco Versiani (2022)
Dreidimensionale Modelle des Zahnwurzelkanals unterliegen einem aufwendigen Herstellungsprozess. Zunächst erfolgt eine 360º-Rotation des Micro-CTs um den Zahn. Danach werden die hochauflösenden Röntgenbilder mit einer Software in hunderte horizontale Querschnitte unterteilt, um diese im Anschluss zu einem 3D-Modell zusammenzusetzen. Durch eine weitere Software wird eine realistisch wirkende 2D-Textur auf die Außenwand des Kanals gelegt.