Systematische Provenienzforschung

Projekt I

Laufzeit: November 2014 – September 2018
Förderung: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages / Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (bis Oktober 2017)

Die Aufgabe

Provenienzforschung als Teilgebiet der Geschichte und der Kunstgeschichte gibt Aufschluss über die wechselnden Besitzer eines Objektes. Sie dient zur Bestätigung der Originalität von Kunstwerken, zur Rekonstruktion von Sammlungen sowie zur Feststellung der Eigentumsverhältnisse. Aufgabe des Projektes ist es, Objekte, die zwischen 1933 und 1945 den Weg in das Museum fanden, auf ihre Herkunftsgeschichte zu untersuchen. Im Fokus der Forschungen stehen die Sammlungsbereiche Gemälde bis 1800, Skulptur bis 1800, Kunsthandwerk bis 1800, Kunst und Kunsthandwerk 19. bis 21. Jahrhundert.

Das Ziel

Ziel des Projektes ist es, Objekte ausfindig zu machen, die aufgrund ihrer Herkunftsgeschichte vermuten lassen, dass sie während der nationalsozialistischen Herrschaft ihren Eigentümern unrechtmäßig entzogen oder diese verfolgungsbedingt zum Verkauf gezwungen wurden. Im Verdachtsfall werden die Verfolgungsgeschichte der vermutlichen Eigentümer sowie die detaillierten Umstände, die zu der Veräußerung geführt haben, dargestellt. Objekte, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug zwischen 1933 und 1945 nicht auszuschließen ist, werden in der LostArt-Datenbank als Fundmeldung veröffentlicht. Bei nachweislich NS-verfolgungsbedingt entzogenen Objekten schließt sich die Suche nach den Erben an. Gemeinsam mit den Beteiligten wird sich das GNM in diesen Fällen bemühen, zu fairen und gerechten Lösungen zu gelangen.

Der Weg

Ausgangspunkt der Untersuchungen sind die im GNM vorhandenen Unterlagen und Aufzeichnungen zu den Sammlungsobjekten, die Erwerbsakten sowie die Korrespondenzen der damaligen GNM-Mitarbeiter. Auf dieser Quellengrundlage sowie unter Berücksichtigung deutlicher Verdachtsmomente, wie z. B. Namen von bekannten Sammlern oder einschlägig bekannten Kunst- und Auktionshäusern, Erwerb auf einer Versteigerung, etwa einer sogenannten „Judenauktion“ oder ein auffallend niedriger Kaufpreis, wurde eine erste Kategorisierung (A. unverdächtig; B. Provenienzlücken vorhanden; C. bedenklich; D. eindeutig belastet) der Objekte vorgenommen. Die Projektmitarbeiter recherchieren in verschiedenen externen Archiven, durchforsten Ausstellungs- und Versteigerungskataloge, führen Objektautopsien durch, korrespondieren mit Archiven, Kunsthändlern, Auktionshäusern und stehen in regelmäßigem Wissensaustausch innerhalb des Netzwerkes der ProvenienzforscherInnen. Die gesammelten Fakten werden in einer Datenbank erfasst. Die Auswertung der Daten ermöglicht es den Wissenschaftlern, wechselnde Eigentümer eines Objektes festzustellen und die dem Objekt zugeordnete Kategorie zu prüfen. Erhärten sich die Verdachtsmomente eines in die Kategorie „bedenklich“ oder „eindeutig belastet“ eingestuften Objektes, so sind weitere entscheidende Fragen zu beantworten, wie z.B.: Wurde der ermittelte Eigentümer in der Zeit von 1933 bis 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt?; Erfolgte in diesem Zeitraum ein Vermögensverlust durch Zwangsverkauf, Enteignung oder auf sonstige Weise? Erhielt der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis, über den er frei verfügen konnte? Durch die Auswertung von Rückerstattungs- und Entschädigungsakten wird ermittelt, inwieweit bereits Wiedergutmachungsleistungen erfolgten und ob das Objekt in der Entschädigungsmasse enthalten ist. Am Ende des Weges steht die Suche nach den ermittelten Eigentümern bzw. deren Rechtsnachfolgern.

Die Ergebnisse des Projektes

Die Untersuchung der Objekte aus den Sammlungsbereichen Gemälde bis 1800, Skulptur bis 1800, Kunsthandwerk bis 1800 sowie Kunst und Kunsthandwerk 19. bis 21. Jahrhundert konnte zum Ende der Projektlaufzeit abgeschlossen werden. Insgesamt wurden ca. 1.200 Objekte untersucht. Von diesen konnte bei etwa 10 Prozent die Provenienz vollständig geklärt werden. 200 Objekte wiesen neben Provenienzlücken auch Verdachtsmomente auf. Sie wurden als Funde an die LostArt-Datenbank in Magdeburg gemeldet. Bei 33 Objekten wurde ein NS-verfolgungsbedingter Entzug nachgewiesen. Diese Objekte wurden an die früheren Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger restituiert beziehungsweise erfolgen derzeit Verhandlungen über eine gütliche Einigung mit den Erben (Stand November 2018).

Der Abschluss

Ausgewählte Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden in der Studioausstellung Gekauft – Getauscht – Geraubt? präsentiert. Der Audio-Guide wurde in die Audioführung durch die Dauerausstellung implementiert und gibt damit dem Besucher die Möglichkeit das Thema zu vertiefen.
Eine Begleitpublikation in der Reihe Kulturhistorische Spaziergänge ist erschienen und auch online verfügbar. Sie wird erweitert durch einen Ergänzungsband mit zugehörigem Registerband (Open Access) sowie eine in Vorbereitung befindliche Datenbank, in der Projektergebnisse recherchiert werden können.

Projektmitarbeiter

Dr. Anne-Cathrin Schreck (Projektleiterin)
Dr. Anja Ebert (wiss. Mitarbeiterin, Kunsthistorikerin)
Dr. Timo Saalmann (wiss. Mitarbeiter, Historiker)
Lisa Baluschek M.A. (wiss. Hilfskraft)
Julia Kalantarova M.A. (wiss. Hilfskraft)
Nadine Raddatz M.A. (wiss. Hilfskraft)
Julia Woltermann M.A. (wiss. Hilfskraft)


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Weitere Objekte des Forschungsprojekts

Die Septemvirn des Nürnberger Rates von 1625 bis 1627
Georg Holdermann (Nürnberg 1585–1629)