Eremiten in der Metropole
Die Mönche der Nürnberger Kartause Marienzelle (1380‒1525): Prosopographie, religiöses Leben und soziale Verflechtungen in interdisziplinärer Perspektive
Laufzeit: seit Mai 2023
In Kooperation mit dem DFG-Graduiertenkolleg 2337 Metropolität in der Vormoderne der Universität Regensburg
Weitere Förderung: Private Stiftung
Im Fokus des Projekts steht der Konvent des 1380 gestifteten und 1525 im Zuge der Reformation aufgehobenen mittelalterlichen Nürnberger Kartäuserklosters. Es entstand in der bis heute nur wenig erforschten spätmittelalterlichen Blütezeit des Ordens, die zur Gründung vieler Stadtkartausen geführt hat.
Das Ziel ist eine methodisch innovative, interdisziplinär erarbeitete „dichte Beschreibung“ eines städtischen Kartäuserkonvents in Deutschland am Ende des Mittelalters. Dabei werden die Individuen, ihre religiöse Identität und soziale Lebenspraxis exemplarisch an der Nürnberger Kartause untersucht. Zur Auswertung gelangen dabei sowohl historische Schriftquellen, als auch archäologische Funde und Befunde, darunter der im Großen Klosterhof freigelegte Friedhof.
In enger Verzahnung von Geschichtswissenschaft/Ordensforschung, Physischer Anthropologie und Archäologie wird folgenden miteinander verknüpften Leitfragen nachgegangen:
- Wer waren die Nürnberger Kartäusermönche?
- Wie war ihre innerklösterliche Lebensweise, Religiosität und Kommunikation beschaffen?
- Welche Interaktionen gab es zwischen dem Konvent und der Nürnberger Stadtgesellschaft und wie beeinflusste die großstädtische Umgebung das religiöse Leben?
An historischen Quellen liegen bislang unedierte oder nur in Ausschnitten edierte Archivalien (Urkunden, Verträge, Besitzverzeichnisse), Nekrologien und Bibliothekskataloge vor, die Aufschluss über den Konvent und seine sozialen Netzwerke geben. Die Rekonstruktion der Nürnberger Kartäuserbibliothek ermöglicht Rückschlüsse zu Fragen der religiösen Identität und Bildung.

Ohne Parallelen ist der vollständig freigelegte Klosterfriedhof. Die auf die Klosterzeit begrenzte Belegung und die Beschränkung auf die Klostergemeinschaft stellen ein Alleinstellungsmerkmal dar und machen ihn zu einer Quelle von europäischem Rang. Paläopathologische Analysen geben Aufschluss über den körperlichen Zustand der Bestatteten, Isotopenanalysen über geographische Herkunft und Ernährungsweise. Dabei bieten die strengen Ernährungsregeln der Kartäuser ein hervorragendes Unterscheidungskriterium, um hierarchischen Strukturen und Differenzen nachzugehen. Archäologische Funde sowie vorhandene und rekonstruierbare Baustrukturen erlauben Rückschlüsse auf die tägliche Lebens-, Arbeits- und Frömmigkeitspraxis im Konvent.
Dieses Projekt verbindet systematische Erschließung unedierter Schriftquellen mit naturwissenschaftlicher Datenerhebung an menschlichen Skeletten und einer umfassenden archäologischen Bestandsaufnahme. Damit schafft es erstmals einen innovativen Rahmen, um die soziale Zusammensetzung, das alltägliche und religiöse Leben sowie die Verflechtungen einer spätmittelalterlichen städtischen Kartäusergemeinschaft in ihrer Umgebung detailliert zu rekonstruieren. Die Besonderheit der Nürnberger Überlieferungslage eröffnet dabei Perspektiven, die nicht nur für die lokale und regionale Geschichte neue Erkenntnisse versprechen, sondern als wesentlicher Baustein für die religiöse Geschichte im spätmittelalterlichen Deutschland und Europa angesehen werden können.
Die Forschungsergebnisse werden in Publikationen veröffentlicht und mit zeitgemäßen Vermittlungsformaten in der Dauerausstellung des GNM präsentiert werden. In das Projekt fließen auch die Resultate aktueller Bauforschungen ein.
Projektteam
Geschichtswissenschaft/Ordensforschung
Prof. Dr. Jörg Oberste, Universität Regensburg (Leitung)
Sophia Wagner, Universität Regensburg (Doktorandin im DFG-Graduiertenkolleg 2337 „Metropolität in der Vormoderne“, Thema der Dissertation: Die Nürnberger Kartause Marienzelle 1380-1525)
Isabell Hesse, Universität Regensburg (Doktorandin im DFG-Graduiertenkolleg 2337 „Metropolität in der Vormoderne“, Thema der Dissertation: Die Familienbücher des Nürnberger Patriziats)
Jasmin Rother-Struck, Universität Regensburg (Masterstudierende am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte, Thema der Masterarbeit: Die Bibliothek der Nürnberger Kartäuser)
Physische Anthropologie
Prof. Dr. Jörg Orschiedt, Freie Universität Berlin/Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt (Leitung)
N.N.
Archäologie
Dr. Angelika Hofmann, GNM