Hallo, Dr. Susanne Thürigen

Dr. Susanne Thürigen | 10.12.2021

Andrea Langer Seit 2021 sind Sie als Leiterin der Sammlung „Wissenschaftliche Instrumente und Medizingeschichte, Waffen und Jagdkultur“ tätig. Bitte stellen Sie sich unseren Leser*innen kurz vor.

Susanne Thürigen In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit Astronomischen Tischuhren in Süddeutschland (1450-1650) befasst. Um die Zeitmesser zu erforschen, schrieb ich unendlich viele Emails an Kolleg*innen in deutschen und internationalen Museen mit der Bitte, mir den Zugang zu ihren kostbaren Stücken zu gewähren.

Mit dem Museum als Arbeitsplatz habe ich seit meiner Berliner Schulzeit geliebäugelt (und mich auch mal aus dem Unterricht gestohlen, um die MoMA-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie zu sehen). Nach der Doktorarbeit war mir dann endgültig klar, dass ich am liebsten ganz nah an den Objekten forschen und arbeiten möchte.

Zur Ausbildung gehört ein wissenschaftliches Volontariat, das ich an den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden an drei Standorten – im Grünen Gewölbe, im Mathematisch-Physikalischen Salon und im Münzkabinett - durchlaufen habe. Dort konnte ich die praktische Museumsarbeit von der Pike auf lernen: das Sammeln, die Pflege der Objekte, das Ausstellungsmachen. Im Anschluss durfte ich mich in einem Forschungsprojekt am Grünen Gewölbe mit der Kulturgeschichte des Bergbaus in Sachsen beschäftigen.

Sie bringen Erfahrungen als Wissenschaftlerin in Forschungsprojekten mit und verfügen über Kenntnisse in der Museumsarbeit. Passgenau für die neue Stelle am GNM! Was waren Ihre Gründe, nach Nürnberg und ans GNM zu kommen?

Das größte Pfund ist selbstverständlich die hochkarätige Sammlung! Ob Behaim-Globus, Tannenberg-Büchse oder Öhringer-Apotheke – der von mir betreute Sammlungsbereich ist vielseitig und voller faszinierender Objekte. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft wird am GNM die Forschung großgeschrieben. Das gefällt mir gut. Weiter finde ich es toll, dass derzeit mit dem Aktionsplan der Leibniz-Forschungsmuseen innovative Wege erkundet werden, unsere Arbeit in die Gesellschaft zu tragen.

Ich freue mich schon sehr darauf, die Stadt und das Umland besser kennenzulernen. Da ich gern wandern gehe, wird man mich an den Wochenenden wohl meistens im Nürnberger Land, der Fränkischen Schweiz oder auch im Altmühltal antreffen. Es ist auch die reiche fränkische Kulturregion, die mich gereizt hat, nach Nürnberg zu kommen.

Wie war Ihr Start am GNM? Konnten Sie sich schon einen ersten Überblick über die sehr unterschiedlichen Objekte Ihrer Sammlungen verschaffen?

Meine neuen Kolleg*innen haben mich sehr herzlich begrüßt und unterstützen mich nicht nur beim Navigieren durch das Haus. Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis ich mich mit den ganz unterschiedlichen Sammlungsbereichen vertraut gemacht habe. Das betrifft nicht nur die Dauerausstellungen und Depots, sondern auch Bestände außerhalb des Museums wie etwa auf der Kaiserburg.

Allein die medizin- und pharmaziehistorische Sammlung umfasst 4000 Objekte. In der neuen Dauerausstellung „Handwerk und Medizin“, die im nächsten Jahr eröffnet werden soll, zeigen wir daraus ca. 200 Exponate. Hier arbeite ich mich gerade emsig ein.

In Ihre Zuständigkeit fallen auch die wissenschaftlichen Instrumente, deren Präsentation am GNM in die Jahre gekommen ist. Auf was dürfen sich unsere Besucher*innen in den nächsten Jahren freuen?

Während wie wir uns heute mit verschiedenen Apps durch Zeit und Raum bewegen, nutzten die Menschen seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zu diesem Zweck eine Klappsonnenuhr. Heute schauen wir auf solche Instrumente – ob Klappsonnenuhr, Astrolabium, Räderuhr oder andere – und fragen uns, wie sie wohl funktioniert haben und wofür man sie gebraucht hat. So richtig „sprechend“ sind sie in meinen Augen nicht.

Daher wünsche ich mir zuerst, dass wir die gezeigten Instrumente den Besucher*innen stärker begreifbar machen. Ich stelle mir einen abwechslungsreichen Parcours vor: Nachbildungen, die in der Ausstellung ausprobiert werden können, im Wechsel mit digitalen Tools wie 3D-Modellen. Beispiele von 3D-Modellen stellt das GNM hier schon jetzt zur Verfügung.

Haben Sie schon ein Lieblingsobjekt?

Aber sicher! Ganz klar zählt der Behaim-Globus dazu. Am Interessantesten sind doch die Exponate, die jede Generation aufs Neue herausfordern. Als Zeugnis früher Globalgeschichte stellen sich beim Behaim-Globus heute Fragen nach der (Un-)Gerechtigkeit des frühneuzeitlichen Welthandels, seinen ausbeuterischen Strukturen, und dem europäischen Blick auf andere, „fremde“ Kulturen.

Objekte wie das Trinkgefäß in Form eines Prunkgeschützes aus dem Besitz der Nürnberger Bürgerartillerie auf der Kaiserburg führen uns vor Augen, dass Krieg und Gewalt in hohem Maß zum Alltag der vormodernen Gesellschaften Europas gehörten. Von Lieblingsobjekten kann hier nicht die Rede sein, sondern ebenfalls eher von herausfordernden Werken. In der Abteilung der Waffen und Jagd ist es das Ziel, die Objekte zukünftig in einen breiteren kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen. Auf diese Aufgabe freue ich mich ganz besonders!

Herzlichen Dank für das Gespräch, liebe Frau Thürigen. Ich wünsche Ihnen alles Gute am GNM und freue mich auf die Zusammenarbeit.


Kommentare

11.12.2021 | Klaus-Dieter Lehmann

Sehr anschaulich wird der Bezug zur Sammlung geschildert und die Bedeutung für unsere Zeit; spürbar ist die Leidenschaft für die Arbeit im Museum | GNM_BLOG ANTWORTET: Ganz herzlichen Dank für die anerkennenden Worte. Herzliche Grüße aus dem GNM


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