Gemälde aus Schwaben und Thüringen


Die vierte und zugleich letzte Phase des Forschungsprojektes zur Tafelmalerei des Spätmittelalters widmet sich den schwäbischen und thüringischen Gemälden des Germanischen Nationalmuseums. Diese Bestände werden mit Mitteln des Fördererkreises des GNM, der Ernst von Siemens Kunststiftung und einer privaten Stiftung 2025–2027 erstmals umfassend kunsttechnologisch und kunsthistorisch untersucht.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung des außergewöhnlichen Bestandes von insgesamt 47 schwäbischen Gemälden schließt eine bislang bestehende Lücke in der Erforschung der süddeutschen Malerei vor 1500 und stellt deren Beurteilung auf ein nach aktuellen Wissenschaftsstandards erarbeitetes Fundament. Die Ergebnisse der systematischen, kunsttechnologischen Untersuchungen aller Objekte werden in bewährter Weise in einen größeren kunsthistorischen Zusammenhang eingeordnet. Die Publikation der Ergebnisse der gemeinsamen Forschungen sind für 2027 im vierten Band der Bestandskataloge zur Malerei des Spätmittelalters geplant.

Zu dem herausragenden Bestand gehören Werke prominenter Künstler aus den schwäbischen Kunstzentren Augsburg, Ulm und Nördlingen, darunter zwei exquisite Madonnen von Hans Holbein d.Ä., eine Muttergottes von Hans Multscher sowie zwei Retabelflügel, die in den Werkstätten Jörg Stockers und Bartholomäus Zeitbloms entstanden. Äußerst rare Zeugnisse weiblichen Klosterlebens stellen zwei um 1500 entstandene Nonnenbildnisse dar, die wahrscheinlich im Umfeld des in Memmingen tätigen Bernhard Strigel gefertigt wurden. Von besonderer Qualität sind vier Marienszenen vor Goldgrund, einst die Flügel eines prächtigen Retabels, das der sogenannte Dinkelsbühler Meister des Marienaltars um 1490 schuf. Als Hauptwerk der Allgäuer Malerei der Jahrhundertmitte gilt die großformatige Kemptener Kreuzigung – zugleich ein drastisches Beispiel judenfeindlicher Motivik. Auch ein seltenes Exemplar spätmittelalterlicher Tüchleinmalerei gehört zur aktuell untersuchten Gemäldeauswahl.

Neben einer großen Anzahl von Werken aus religiösem Kontext gehören auch Werke mit profanem Inhalt zur Sammlung, darunter zwei Männerbildnisse sowie die ikonographisch außergewöhnliche Allegorie auf Leben und Tod. Die Tafelgemälde des Germanischen Nationalmuseums veranschaulichen damit nicht nur die unterschiedlichen Funktionen spätmittelalterlicher Malerei, sondern spiegeln zugleich die Entwicklung der schwäbischen Kunst in der Übergangszeit vom Spätmittelalter zur Renaissance wider.

Der sehr kleine, aber hochkarätige Bestand Thüringer Werke umfasst ein um 1350 gemaltes Triptychon aus Erfurt und zwei Flügelgemälde des Erfurter Einhornmeisters. Mit der Untersuchung dieser beiden Werkgruppen wird die Erforschung aller spätmittelalterlichen Tafelgemälde des GNM abgeschlossen und die Reihe der Bestandskataloge vervollständigt sein.

Umfangreiche Forschungsdaten des Projektes stehen der Öffentlichkeit weiterhin in der Online-Publikation des Gesamtprojektes zur Verfügung und werden bis Projektende fortlaufend ergänzt. Die Datenbank bietet für jedes Objekt neben ausgewählten Forschungsdaten Zugang zu den Ergebnissen der durchgeführten Analysen sowie zum vollständigen Bildmaterial, das neben Röntgenbildern, Infrarotreflektogrammen, UV-, Gesamt-, Detail- und Makroaufnahmen auch erläuternde Kartierungen und digitale Rekonstruktionsmodelle zerstörter Objektzusammenhänge beinhaltet.

 

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ProjektmitarbeiterInnen

Dr. Benno Baumbauer (Sammlungsleiter Gemälde bis 1800 und Glasmalerei) Gesamtprojektleitung
Dr. Beate Fücker (Kunsttechnologin) Projektleitung
Judith Hentschel M.A. (Kunsthistorikerin)
Lisa Eckstein Dipl.-Rest. (FH) (Kunsttechnologin)
Amadeus Tkocz M.A. (Kunsthistorische Assistenz)
Ann-Kathrin Nonnenmacher M.A. (Kunsttechnologische Assistenz)

 

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Objekte des Forschungsprojekts

 

 

Madonna mit Kind (sog. Gossenbrot-Madonna)
Hans Holbein d.Ä., 1499
Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen / Wittelsbacher Ausgleichsfonds

 

 

Kalvarienberg der Kemptener Familie Grimmel,
unbekannter Allgäuer Maler, um 1460
Leihgabe der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen